Weltwirtschaft: Steht uns das Schlimmste noch bevor?

Unter den etablierten Ökonomen wird derzeit die Rezession debattiert, die letztes Jahr in den USA eingebrochen ist. Viele von ihnen behaupten, sie sei schon vorüber. Alan Greenspan, der Chef der Federal Reserve, also der amerikanischen Zentralbank, teilte in einer Senatsanhörung vorigen Monat, dass die wirtschaftliche Aktivität beginne, "sich zu festigen".

Ähnlich wie Greenspan redeten viele von denen, die die Rezession jetzt für beendet ansehen, den Spekulationsboom der 90‘er Jahre herbei. Damals behaupteten sie, dass der Aufschwung die Entstehung einer "new economy", einer neuen Wirtschaft repräsentiere, die dank der Informationstechnologie den Konjunkturzyklus, der das kapitalistische System in den letzten 200 Jahren charakterisiert hat, zurücklassen würde. Jetzt erscheint dieses Gerede reichlich lächerlich. Aber das bedeutet nicht, dass man die Möglichkeit, dass eine Erholung der Wirtschaft bevorsteht, einfach außer acht lassen könnte.


Schließlich bedeutet die Feststellung, dass die Wirtschaftsleben des Kapitalismus zyklisch ist, nichts anderes, als dass es auf und ab geht. Karl Marx, der als einer der ersten diesen Zyklus entdeckte, kam zu dem Schluss, dass jede Rezession ein Ende haben müsse.


In letzter Konsequenz treten Rezessionen auf, weil die Investitionen der Kapitalisten schneller wachsen als die Profite, die sie aus ihnen ziehen können. Die durchschnittlichen Renditen auf investiertes Kapital –das, was Marx die allgemeine Profitrate nannte- fallen, bis die Kapitalisten aufhören zu investieren. Und genau damit lösen sie die Krise aus. Aber Rezessionen setzen dann Kräfte frei, die allmählich die Profitrate wieder nach oben drücken.


Unternehmen gehen bankrott und erlauben auf die Weise ihren Konkurrenten, ihre Ausrüstung und ihre Fabriken billig aufzukaufen. Die steigende Arbeitslosigkeit schwächt die Verhandlungsposition der Arbeitnehmer und setzt sie unter Druck, niedrigere Löhne und schlechtere Arbeitsbedingungen zu akzeptieren.


Und nach und nach heben diese Mechanismen die Profitrate wieder auf ein Niveau, wo die Kapitalisten sich für neue Investitionen entscheiden. Der ganze höllische Kreislauf von Wachstum und Rezessionen beginnt auf ein neues.


Die entscheidende Frage ist daher, ob die US-Wirtschaft diesen Wendepunkt schon erreicht hat. Das scheint fragwürdig. Wie die Financial Times kürzlich richtig anmerkte, hat die neue Technologie keinesfalls den Konjunkturzyklus abgeschafft, sondern vielmehr dazu beigetragen, dass "zyklische Extreme" entstehen. Die Euphorie über die Informationstechnologie in den späten 90‘er Jahren ermutigte Unternehmen dazu, riesige Investitionen in die Erweiterung ihrer Produktionskapazitäten zu tätigen.


Investitionen in Telekommunikationsmittel stiegen zwischen 1997 und 2000 um 20% in den USa und um 50% in Europa. Aber das Wachstum der Profite hielt nicht mit. Das Ergebnis waren massive Überinvestitionen.


Es gibt Schätzungen, nach denen weltweit in den letzten vier Jahren rund eine Billion Dollar ($1.000 Milliarden) auf die Telekommunikationsindustrie verschwendet wurden. Überinvestitionen sind ein klassisches Merkmal von spekulativen Booms. Und das gleiche trifft auf legale und illegale Lügen und Bilanzfälschungen in großem Maßstab zu.


Enron’s Betrügereien in der Buchhaltung sind nur die Spitze des Eisbergs. Es hat sich herausgestellt, dass viele Firmen Kapazitäten vortäuschten, um sie profitabler erscheinen zu lassen Das Problem besteht darin, dass es viel Zeit braucht, die Auswirkungen von Überinvestitionen auszugleichen.


Ein Ökonom vom Internationalen Währungsfond hat vorausgesagt, dass "die wirtschaftliche Aktivität sich nicht erholen wird, bis die ‚Investitionsfehler‘ der Vergangenheit korrigiert sind". Es sieht nicht so aus, als ob das geschehen sei.


Die Financial Times berichtete, dass "in der Informationstechnologie allgemein das schwere Erbe der Überinvestitionen zu finden sei. Scott McNealy, der Chefmanager von Sun Microsystems, erzählte, dass er gegen seine eigenen Produkte zu konkurrieren habe, weil diese bei Insolvenzverfahren zu 10% ihres offiziellen Preises verkauft würden."


Wer die US-Wirtschaft jetzt hochlobt, sollte das Schicksal Japans bedenken. Mehr als zehn Jahre nach dem Platzen der spekulativen "Blasenökonomie" der späten 80‘er Jahre sind die japanischen Banken immer noch schwer mit faulen Krediten beladen. Industrieproduktion und Preise sinken weiterhin.


Die wirtschaftliche Depression, die die zweitgrößte Wirtschaft der Welt umklammert hält, stellt ein riesiges Problem für den globalen Kapitalismus dar. Aber sie könnte auch eine schreckliche Vorwarnung auf das sein, was die USA in Zukunft erwartet.

Dieser Beitrag wurde unter Marktwahnsinn, Warum gibt es Wirtschaftskrisen? veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.