Kommentar: Der andere Atomtod

Die USA drohen, mit dem neuen Nationalen Raketenabwehr-Projekt (NMD) 10 Jahre nach Ende des Kalten Krieges den globalen Rüstungswettlauf wieder zu verschärfen. Die atomare Wettrüstung zwischen den beiden Supermächten USA und UdSSR war gefährlich genug. Damals aber waren die Kontrahenten nicht in der Lage, den nuklearen Erstschlag durchzuführen, weil der Gegenschlag die eigene Vernichtung bedeutet hätte. Mit der Verwirklichung des NMD könnten die USA die eigen Vernichtung durch den Gegenschlag abwehren und damit den Erstschlag möglich machen. Die Möglichkeit einen nuklearen Krieg zu führen, rückt näher.

Schon in den 80er Jahren gab es mit Reagans ‚Star Wars‘-Programm Pläne für ein solches Raketenabwehrsystem. Als Rechtfertigung diente die Bedrohung durch die Sowjetunion. Dieses Feindbild besteht heute nicht mehr. Als Ersatz müssen China und "Schurkenstaaten" wie Iran, Irak, Nordkorea und Libyen herhalten. Doch ist dieses Bedrohungsszenario glaubwürdig?


Bedrohung?


China rüstet auf. der Militäretat soll 2001 um 17,7% auf 141 Milliarden Yuan (36 Milliarden Mark) steigen. China verfügt mit 2,5 Millionen Soldaten über die zahlenmäßig größte Armee der Erde. Technologisch jedoch ist sie Jahrzehnte hinter dem Westen im Rückstand. Chinas Militäretat beträgt nur 5% der Militärausgaben der USA. China besitzt insgesamt 20 einsatzbereite Interkontinentalraketen: ein Bruchteil der Kontingente Russlands und der USA.


Die Behauptung, bereits in fünf Jahren könnten Iran und Nordkorea über Systeme verfügen welche in der Lage wären US-Territorium zu erreichen, wird von allen ernsthaften Beobachtern für extrem übertrieben gehalten. Ebenso die vermeintliche Bedrohung der US-Sicherheit durch Terroristen. Der von den USA als Terrorist Nummer eins gesuchte Suadi Osama Bin Laden benutzt nicht mal mehr ein Handy, um nicht Ziel von US-Raketen zu werden.


Weltraumstreitkraft


Strategiepapiere der US-Air-Force sprechen aus, dass es bei Bushs NMD in Wirklichkeit um unumschränkte Macht geht. Laut "Vision 2020" geht es um die "militärische Dominanz im Weltraum, um die US-Interessen und Investitionen zu schützen. Die Weltraumstreitkraft soll eingebunden werden in die Möglichkeiten der Kriegführung".


Es geht bei NMD nicht Sicherheit sondern um wirtschafliche Konkurrenz. Es geht um die


gleichen Konzerne, die durch die WTO, IWF und Weltbank ihre Interessen weltweit durchsetzen wollen. Thomas Friedman, rechter US Journalist meint: "Die unsichtbare Hand des Marktes wird niemals ohne die unsichtbare Faust funktionieren. Mc Donalds kann nicht florieren ohne Mc Donnell Douglas. Die unsichtbare Faust, die sicherstellt dass die Technologie des Silicon Valley floriert, heißt US-Army, Air-Force, Navy und Marine-Corps." Mc Donnell Douglas wurde nach seiner Fusion mit Boeing 1997 der größte Rüstungskonzern der Welt. Oder wie es der preußische Militärstratege Clausewitz es formulierte: "Krieg ist die Fortsetzung von Politik mit anderen Mitteln." Heute ist NMD die Fortsetzung der neoliberalen Politik von IWF und Weltbank – mit anderen Mitteln.


Rot-Grün


Das Verhalten von Rot-Grün ist vom gleichen Gedanken geprägt. Sie vertreten die Interessen der deutschen Wirtschaft im Ausland. Die stehen manchmal im Gegensatz zu denen der USA. Deren militärische Vormachtstellung macht Deutschland aber abhängig vom amerikanischen Nuklear-Potential. Deutschland habe, so Schröder, ein "eminentes wirtschaftliches Interesse" an einer Teilhabe. Der Spiegel schreibt: "Er hat keinen Zweifel, dass der neue US Präsident die Hightech-Abwehr auf jeden Fall entwickeln lassen will. Da scheint es ihm sinnvoller, noch schnell auf den Zug aufzuspringen, statt in der Schmollecke zu verharren." Ähnlich Fischer: Die Bundesregierung habe die Teilhabe an der Technologie des neuen Rüstungsprogramms "schon immer gefordert". Wenn NMD umgesetzt wird, wollen deutsche Konzerne dabei sein.


Herausforderung


Der neue Rüstungswettlauf stellt die seit Seattle entstehende antikapitalistische Bewegung vor eine große Herausforderung. Sie muss den Kampf gegen den Konzernherrschaft über die Wirtschaft mit einen Kampf gegen den Militarismus der Konzerne verbinden. Die Aktivisten, die in den nächsten Wochen gegen die Atomgefahr von AKWs und die Atomkonzerne in Deutschland protestieren werden, sollten den Kampf gegen den atomaren Krieg der Sterne zum eigenen machen.

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