Warum Gewerkschaften wichtig sind

Arbeiter haben die Macht, den Sozialabbau zu stoppen. Doch dafür müssen die Gewerkschaften sich von der SPD lösen.Gewerkschaften sind ein wichtiger Teil des Kampfes gegen Sozialabbau. Gerade erst hat die Gewerkschaft IG Metall die flächendeckende Ausweitung der Arbeitszeit auf 40 Stunden pro Woche verhindert. Der Deutsche Gewerkschaftsbund mobilisiert deutschlandweit zu den Demos gegen Sozialkahlschlag am 3. April.
Doch FDP-Chef Westerwelle behauptet: "Deutschlands Wohlstand wird zu Grunde gehen, wenn wir die Gewerkschaftsfunktionäre nicht entmachten." Wahr ist genau das Gegenteil: Nur durch den Druck der Gewerkschaften konnten der Lebensstandard und die Arbeitsbedingungen in Westdeutschland bis vor etwa 10 Jahren immer weiter verbessert werden. Schon in den 20er-Jahren haben die Gewerkschaften die Arbeitslosenversicherung durch Streiks erzwungen. Die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall hat die IG Metall durch einen viermonatigen Streik 1956 und 57 erreicht.
Ohne Gewerkschaften wäre jeder einzelne Arbeiter dem Druck der Unternehmer hilflos ausgesetzt. Sie könnten die Löhne nach Belieben senken, denn in Zeiten der Massenarbeitslosigkeit müssen viele Menschen jeden Job annehmen.
Gegen diese Macht schließen sich die einzelnen Arbeiter in Gewerkschaften zusammen. Ihre Kampfkraft besteht darin, dass nicht nur Arbeiter darauf angewiesen sind, ihre Arbeitskraft zu verkaufen, sondern auch die Kapitalisten von dieser Arbeitskraft abhängig sind. Allein deshalb können Gewerkschaften überhaupt Verbesserungen erkämpfen.
Der Revolutionär Friedrich Engels hat die Gewerkschaften als "Kriegsschule der Arbeiterklasse, in der sie sich für die große Schlacht rüsten, die nicht vermieden werden kann", bezeichnet. Denn Arbeiter, die sich organisieren, um mit Streiks und Betriebsbesetzungen Widerstand gegen die Bosse aufzubauen, haben prinzipiell auch die Möglichkeit, die Produktion selbst in die Hand zu nehmen und die Bosse zu verjagen.
Doch offensichtlich nutzen die Gewerkschaften diese Macht nicht. Ihre Führung verfolgt eine ganz andere Politik.
Das liegt einerseits daran, dass die Konzerne den Gewerkschaftsvorsitzenden Posten in ihren Aufsichtsräten und damit viel Geld geben – wenn die Gewerkschafter auf Seite der Bosse stehen. So verweigerten die Großaktionäre der Lufthansa letztes Jahr dem stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden und Chef der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di Bsirske die Unterstützung, weil er dem Unternehmen mit Streiks Millionenschäden zugefügt hatte. Wenn Bsirske seinen Posten verlöre, gingen ihm 20.000 Euro pro Jahr durch die Lappen.
Gleichzeitig stehen die Gewerkschaftsspitzen im Westen seit Jahrzehnten der SPD sehr nahe. Seit diese an der Regierung ist, wollen die Vorstände der Gewerkschaft alles vermeiden, was Kanzler Schröder schaden könnte – selbst wenn seine Politik das Leben der Arbeiter ständig verschlechtert. So erklärte der Vorsitzende der Chemiegewerkschaft IG BCE Schmoldt, auch nach Kanzler Schröders Rücktritt vom SPD-Parteivorsitz, gäbe es zum Sozialabbau keine Alternative.
Deshalb drohen die Gewerkschaftschefs zwar häufig mit Streiks, um die Verhandlungsposition im Streit mit Bossen und Regierung zu verbessern. Doch tatsächlich gekämpft wird nur sehr selten, weil darin Millionen Menschen eine Gegenmacht zur großen Koalition des Sozialabbaus aus SPD, CDU und Wirtschaft erkennen könnten.
Diese Verbindung zwischen Gewerkschaften und SPD gründete früher auf einer wachsenden Wirtschaft, die den Arbeitern trotz großer Ungerechtigkeit eine langsame Verbesserung ihres Lebensstandards ermöglicht hat. Doch seit die Wirtschaft von einer Krise zur nächsten taumelt, ist die SPD-Regierung zum Feind einer sozialen Politik nach Vorstellung der Gewerkschaften geworden. Trotzdem unterstützen die meisten hohen Funktionäre die Politik der Regierung und damit der Bosse, weil die Gewerkschafter keine Alternative kennen.
Dadurch steht die Gewerkschaftsführung aber unter dem Druck ihrer Mitglieder, die mit den unsozialen "Reformen" oft nicht einverstanden ist. Deshalb forderte der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes Sommer – anders als Schmoldt – nach Schröders Rücktritt eine "Politikwende".
Die Gewerkschaftschefs stehen zwischen den Arbeitern und dem Kapital, wobei die Gewerkschaften Unternehmern und Regierung heute ohne Arbeitskämpfe nur noch wenig entgegensetzen können.
Der Revolutionär Tony Cliff hat einmal eine Richtlinie aufgestellt, um tatsächlich für die Interessen der Arbeiter kämpfen zu können: "Mit den Bossen nie, mit den Arbeitern immer, mit der Bürokratie, solange sie die Interessen der Arbeiter vertritt." Um auch in Zeiten der Krise gegen das Kapital bestehen zu können, brauchen die Gewerkschaften jedoch eine Führung, welche die Interessen der Arbeiter mit allen notwendigen Mitteln durchsetzt – ohne Rücksicht auf Schröder.

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