Kommentar: Gegen Verzweiflung und Hass helfen keine Verbote

Angeblich ist die Gewalt in den Medien schuld am Amoklauf von Robert Steinhäuser. Der Erfurter Schüler tötete 16 Menschen, vor allem Lehrer.

Kinder zerbrechen am Druck in der Schule

1.500 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene begehen jedes Jahr Selbstmord. Probleme mit Schule, Studium, Ausbildung oder im Elternhaus spielen häufig eine große Rolle. Vor allem aber tagtägliche Stress in der Schule macht viele Schüler krank.


Mit zunehmendem schulischen Druck steigt auch die zahl der hyperaktiven Kinder, so der Psychologe des Münchner Kinderzentrums Friedrich Voigt. Kinder seien gerade in weiterführenden Schulen hohen Belastungen ausgesetzt. Jedes Jahr werden für Kinder bis zwölf Jahren 500.000 Rezepte für Beruhigungsmittel verordnet.


Aber Schulstress macht auch Lehrer krank. Nach einer Studie der Universität Potsdam haben Lehrer ein deutlich erhöhtes Gesundheitsrisiko. Die Gründe hierfür seien Erschöpfung, Überforderung und Resignation. Als Folge dieser Belastungen leiden immer mehr Lehrer unter Depressionen, Schuldgefühlen und Schlafstörungen, so die Studie. Auch der Missbrauch von Alkohol, Medikamenten und Drogen sei in Lehrerkreisen keine Seltenheit mehr.


Schüler nehmen Pillen gegen Stress

In Deutschland schluckt jeder siebte Schüler oder Student Pillen gegen Stress. Das ermittelte das Forsa-Institut in einer repräsentativen Umfrage. Experten schätzen, dass ein Fünftel der Grundschüler das Beruhigungsmittel Ritalin verabreicht bekommt. Es steht im Verdacht, die Hirnentwicklung zu hemmen und die Schüttellähmung Parkinson zu begünstigen.


13 Lehrer tötete der 19-jährige Schüler Robert Steinhäuser, einen Polizisten und zwei Schüler. Am Ende erschoss er sich selbst. Laut CDU-Kanzlerkandidat Stoiber sind Gewaltdarstellungen in den Medien die Ursache. Deshalb müssten Gewaltvideos und -computerspiele verboten werden. Ein solches Verbot hätte für Politiker den Vorteil, dass es sie nichts kostet. Sie könnten von ihrer Verantwortung für die miserablen Zustände und den zunehmenden Leistungsdruck an deutschen Schulen ablenken. Den Amoklauf von Robert hätten Verbote nicht verhindert. Kein Leben wäre dadurch gerettet worden.


Robert hatte Probleme in der Schule und mit seinen Eltern. Erst blieb er in der elften Klasse sitzen, dann fiel er vor einem Jahr durchs Abitur. Diesen Februar wurde er vom Gymnasium verwiesen, traute sich aber nicht, es seinen Eltern zu sagen, und tat so, als ginge er weiter zur Schule.


Mit dem Verweis von der Schule gab es keine Möglichkeit mehr für Robert zu studieren und dadurch den Erwartungen seiner Eltern gerecht zu werden. Eine nahe Bekannte von Roberts Familie berichtet: "Robert hatte Probleme in der Schule. Die Eltern machten deshalb ziemlich Druck, genau wie bei seinem Bruder früher." Sie beschreibt Roberts Vater, Abteilungsleiter bei Siemens, als streng.


Mit dem Stress in der Schule kam der 19-jährige ebenfalls nicht zurecht. Er stritt häufig mit seinen Lehrern. Das Motto seiner Schule "Lerne, um zu leben" muss Robert wie Hohn erschienen sein. Eingezwängt zwischen Leistungsdruck auf dem Gymnasium und den hohen Erwartungen der Eltern sah Robert keinen Ausweg mehr.


Zur Waffe zu greifen und seine Lehrer zu töten, war für ihn naheliegend: Er trainierte in einem Schießsportverein und hatte deshalb Zugang zu Waffen.


Steigender Leistungsdruck in der Schule, hohe Arbeitslosigkeit, Stellenstreichungen bei Lehrern und Kürzungen im Bildungssystem sind die gefährliche Mischung, die Amoklüfer wie Robert produzieren.

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