Proteste in Lateinamerika

Der Streik in Argentinien ist Ausdruck der aufkeimenden Hoffnung von Millionen nach den Jahren der Krise seit 1997.

Das selbe Bild zeigt sich bei Streiks, Demonstrationen und Aufständen gegen neoliberale Politik in Ecuador, Uruguay, Bolivien, Venezuela und Peru. Überall dort gibt es ein Wiederaufflammen von Klassenkämpfen.

Lateinamerika: Revolte gegen Neoliberalismus

Ein Pferdekarren war das einzige Transportmittel nach La Plata, als am 9. Juni ein Generalstreik ganz Argentinien lahmlegte.


Der Streik richtete sich gegen Sozialabbau und Lohnkürzungen im Öffentlichen Dienst. Diese Maßnahmen waren vom Internationalen Währungsfonds (IWF) gefordert worden.


Die Führungen der drei konkurrierenden Gewerkschaftsverbände riefen sofort gemeinsam zu diesem Generalstreik auf – und zwischen 85 und 92 Prozent der Arbeiter folgten.


Lehrer, Fernfahrer, Metallarbeiter, Busfahrer, Bedienstete der öffentlichen Verwaltung, Bauarbeiter – alle hörten auf zu arbeiten.


Rentner und Arbeitslose unterstützten die Proteste, indem sie Brücken und Autobahnen blockierten.


Sogar die Katholische Kirche rief den IWF auf, angesichts wachsenden Hungers auf die Maßnahmen zu verzichten. Etwa ein Drittel der Bevölkerung lebt in absoluter Armut.


Der Argentinische Präsident De La Rua wurde wenige Monate vorher auf einer Welle der Unzufriedenheit mit seinem Vorgänger Menem gewählt.


Aber an der neoliberalen Marktpolitik hat sich dadurch nichts geändert.


Die aufgestaute Wut darüber hat die Gewerkschaftsführer zum Streikaufruf gezwungen. Leider haben sie die Möglichkeiten der Machtdemonstration nicht voll ausgenutzt – sie beendeten den Streik sofort wieder und begannen neue Verhandlungen mit der Regierung.

IWF: "Diktatur des Geldes"

Die Kürzungen beinhalten die Senkung der Löhne im Öffentlichen Dienst um 12 bis 15 Prozent, Beschneidung der Renten und die Privatisierung des Gesundheitssystems.


Schon jetzt ist die Gesundheitsfürsorge für die meisten Menschen schlecht. Mit diesen Maßnahmen wäre die Mehrheit der Bevölkerung von jeglicher Versorgung abgeschnitten.


Dabei handelt es sich um ein "Strukturanpassungsprogramm" des IWF – im Gegenzug für einen Notkredit in Höhe von 14,5 Milliarden Mark.


Als "Diktatur des Geldes" bezeichnete ein Gewerkschaftsvorsitzender die aktuelle Regierungspolitik und verglich sie mit der Militärdiktatur am Anfang der 80er Jahre.



Wahnsinn


Das hochverschuldete Argentinien braucht diesen Kredit. Die Zinszahlungen an ausländische Banken und Staaten beträgt alleine 60 Milliarden Mark jährlich.


Das ist mehr, als die gesamten Exporte Argentiniens einbringen – die Weltmarktpreise für die meisten Rohstoffe, Argentiniens Hauptexportgüter, sind seit der Weltwirtschaftskrise 97/98 in den Keller gerutscht.


Regierung und IWF wollen die Arbeiter und Armen in Argentinien für die Profite der Banken zahlen lassen – und für den Wahnsinn des Marktsystems.

In Ecuador war eine Bewegung von Indios und Arbeitern im Januar nahe dran, die Regierung zu stürzen. Aber sie wurden durch Versprechen der Generäle getäuscht und betrogen.


Jetzt keimt die Bewegung wieder auf. Am 15. und 16. Juni lähmte ein Streik von Ärzten, Öl- und Elektroarbeitern und 140.000 Lehrern das Land – organisiert von der "Organisation zur Koordinierung der sozialen Bewegungen".


Die Lehrer streiken gegen die Privatisierung des Schulsystems.



Uruguay


Für den 8. Juni rief der uruguayische Gewerkschaftsbund zu einem 24stündigen Generalstreik auf.


Vom beachtlichen Wirtschaftswachstum der letzten vier Jahre ist bei den Arbeitern nichts angekommen. Die Regierung will privatisieren und die Bosse profitieren lassen.


Für Armeeoffiziere und Polizisten wurde die Bezahlung erhöht.


Bolivien


Am 13. Juni marschierten 100.000 zur bolivianischen Hauptstadt La Paz und forderten eine neue Universität, ein Krankenhaus und ein Sportstadion.


Die Demonstranten drohten in Hungerstreik zu treten, falls die Regierung nicht auf ihre Bedürfnisse eingeht.



Venezuela


Am 15. Juni protestierten Tausende Arbeiter in Venezuela für eine 20prozentige Lohnerhöhung, die der Präsident Hugo Chavez im Wahlkampf vor 18 Monaten versprochen hatte.



Peru


Zehntausende demonstrierten in der peruanischen Hauptstadt Lima, als Präsident Alberto Fujimori Anfang Juni erklärte, er werde wiedergewählt werden – bei einer Wahl, die viele für gefälscht halten.


Der Oppositionskandidat Alejandro Toledo sagte vor Demonstranten, Fujimoris Herrschaft bedeute: "wir leben in einer Diktatur".


Unterstützt wurde er von einem ehemaligen General, der befürchtete, "wenn es keine Demokratie gibt, könnte es eine Revolution geben".


Etwa 50.000 beteiligten sich an den Protesten in Lima. Trotz Toledos Aufruf, friedlich zu demonstrieren, kam es zu Zusammenstößen mit der Polizei – hinterher hingen Wolken von Tränengas in den Straßen. Ähnliche Auseinandersetzungen gab es auch in anderen Städten.

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