Italien im Aufruhr

Nächster Halt: Generalstreik

Die Demonstration war ein Meer von roten CGIL-Flaggen. CGIL ist der äußerste linke Flügel von Italiens drei Gewerkschaftsverbänden und die Organisation, die zu der Demonstration aufgerufen hatte.


Der Widerhall war so stark, dass die Demokratische Linke und die Margherita-Parteien gezwungen waren, sich zu beteiligen. Die Mitte-Links-Koalitionsregierung, an der diese Parteien beteiligt waren, hatte die neoliberale Politik durchgedrückt, die zu einer massenhaften Enttäuschung und schließlich im letzten Jahr zur Wahl Berlusconis führte.


Die Begeisterung für den Generalstreik Anfang April gegen die Pläne der Regierung nimmt zu. Auch die beiden anderen Gewerkschaftsverbände UIL und CISL werden sich beteiligen, obwohl sie die Demonstration in Rom nicht unterstützt hatten.


Ein Generalstreik und eine Demonstration von mehr als einer Million Menschen führten 1994 zum Zusammenbruch der letzten Regierung unter Berlusconi.


Berlusconis Koalitionspartner sind sich heute einiger als damals. Aber der Protest in Rom und der Generalstreik zeigen, wo die Kraft liegt, ihn zu schlagen.


"Dies ist die größte Demonstration in der Geschichte der italienischen Republik", sagte Giorgio Gremaschi, der Generalsekretär der Metallarbeitergewerkschaft FIOM. "Das Einzige was jetzt getan werden kann, ist in Richtung Generalstreik weiterzuarbeiten. Wie wir die Straßen füllen, so müssen wir die Fabriken leeren."



"Carlo ist zurückgekommen"

"Ich bin stolz, hier zu sein. Heute sind viele ehrliche und freie Menschen hier. Sie haben sich nicht von den Lügen und dem Schrecken des Terrorismus beeinflussen lassen.


1994 war ich mit meiner Frau und meinem Sohn auch hier (Bereits 1994 stürzte eine Massenbewegung Ministerpräsident Berlusconi, die Redaktion). Ich fühle, dass Carlo heute ein wenig auf die Straße zurückgekommen ist."


Giuliano Giuliani, dessen Sohn Carlo letztes Jahr bei den Protesten gegen den G-8-Gipfel von Genua von der Polizei erschossen wurde.


Stoiber und Berlusconi

Die italienische Regierung hat sich über die Kanzlerkandidatur des bayerischen Ministerpräsidenten Stoiber sehr gefreut.


Das Verhältnis zwischen Stoiber und Berlusconi sei ausgesprochen freundschaftlich, meldete die Financial Times Deutschland. Stoiber wird vom italienischen Ministerpräsidenten als "echte Führungspersönlichkeit" geschätzt.


Die italienische Regierung hofft im Falle eines Wahlsieges Stoibers, einen engen Verbündeten unter den europäischen Regierungen zu finden, wo Berlusconi schon einige Male auf Ablehnung gestoßen ist. Berlusconis Partei Forza Italia gehört wie die CDU/ CSU zur Europäischen Volkspartei EVP.


Drei Millionen Italiener protestierten am 23. März in Rom gegen die Pläne des italienischen Ministerpräsidenten Berlusconi, den Kündigungsschutz zu lockern.


Carmela Ozzi und Matthew Cookson berichten aus Rom

Rund 9.200 Busse, 61 Sonderzüge, 5 Flugzeuge und 4 Schiffe brachten Menschen aus ganz Italien nach Rom. Gewerkschafter, Studenten, Ausländer und Italiener, Arbeitslose und Rentner gingen auf die Straße. Sechs große Demonstrationen zogen in einem Sternmarsch in die Innenstadt.


Die Presse schrieb, dass der Protest sich gegen Terrorismus richtete, nachdem am Dienstag zuvor der Regierungsberater Biagi getötet worden war. Natürlich lehnten viele Menschen diesen Mord ab, aber sie gingen vor allem gegen Berlusconis rechte Regierung auf die Straße.


Berlusconi ist ein Milliardär und Medienzar. Er steht einer Regierung vor, in der die einwanderungsfeindliche Lega Nord und die faschistische Alleanza Nazionale mitarbeiten. Diese Regierung will ein Gesetz beseitigen, dass Arbeitern Kündigungsschutz bietet.


Die Kundgebung vom 23. März war die größte seit 50 Jahren in Italien. Aufgerufen hatten die Gewerkschaften. Auch bei diesem Protest zeigte sich die Stimmung der anti-kapitalistischen Demonstrationen, wie eine Woche zuvor gegen den EU-Gipfel im spanischen Barcelona (Linksruck berichtete).


"Berlusconis Regierung ist kapitalistisch – sie regiert im Interesse der Industrie. Sie nimmt dem Volk die Demokratie. Es geht um die jungen Leute – es ist ihre Zukunft", sagte Andrea, ein Elektriker.


"Dieser Protest steht für unsere Rechte und die Rechte zukünftiger Generationen", meinte Stefania aus Florenz, die im Öffentlichen Dienst arbeitet. "Berlusconi will nur den oberen Klassen Macht geben."


"Heute unterliegen wir nur den Gesetzen des Marktes. Berlusconi will sicherstellen, dass die Bosse mehr Profit aus uns herausholen. Wenn wir nicht gebraucht werden, werden wir ohne Hoffnung auf ein menschenwürdiges Leben rausgeworfen", sagte Andrea aus Mailand, der für eine Handyfirma arbeitet.


Zehntausende Menschen aus den Sozialforen, die sich nach den anti-kapitalistischen Protesten gegen den G8-Gipfel letzten Sommer in Genua überall im Land gebildet haben, schlossen sich der Demonstration an.


Überall sah man Menschen mit palästinensischen Schals oder Flaggen – Gewerkschafter und junge Leute – aus Solidarität mit dem palästinensischen Kampf um Gerechtigkeit.


"Wir sind nicht länger allein", meinte Vittorio Agneletto vom Italienischen Sozialforum. "Wir wollen Leben, Rechte und Demokratie."


Viele der Demonstranten zeigten deutlich, dass sie gegen den Krieg sind. Ein weit verbreiteter Anstecker trug die Aufschrift: "Der einzige General, den wir mögen, heißt Streik."


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