USA: Streik in der "new economy" – Solidarität im 21. Jahrhundert

"Dieser Streik wird zeigen, ob die Gewerkschaften die Revolution der Kommunikationstechnologie überleben werden", orakelte der Gewerkschaftsfachmann der George Washington Universität. Sie werden! 86.000 Arbeiter zwangen das größte Telekommunikations-Unternehmen der USA dazu, Gewerkschaftern die Rekrutierung neuer Mitglieder zu erlauben und erkämpften bessere Arbeitsbedingungen.

Verizon Communications war im Juni durch eine Fusion entstanden. Deswegen sollte im August ein neuer Tarifvertrag ausgehandelt werden. "Wir glauben nicht, dass Gewerkschaften nötig sind, um unseren Angestellten gerechte Löhne und Zusatzleistungen zu garantieren.", meinte ein Verizon-Sprecher dazu.

Der Vorschlag von Verizon bot aber alles andere als angemessene Arbeitsbedingungen: Alle Angestellten sollten verpflichten, bis zu 15 Überstunden pro Woche zu leisten – ohne vorherige Ankündigung. Verizon verlangte außerdem, 4-6% der Aufträge an Subunternehmer auslagern zu dürfen, die an keine Tarifverträge gebunden sind.


Der Konzern glaubte sich in einer starken Position, weil im Mobilfunk- und Internetbereich bis dahin nur 46 von 32.000 Arbeitern gewerkschaftlich organisiert waren. Dabei wollte Verizon es auch belassen: In einem Werk in Massachusetts waren Angestellte für Verbreitung von Gewerkschaftsliteratur gefeuert worden.



Unterstützung


Weil Verizon keinen Millimeter von seiner harten Linie abwich, riefen die Gewerkschaften CWA und IBEW die Kollegen aus Service und Festnetz zusammen mit Mobilfunk und Internet zum Streik. "Nachdem sie die Belegschaft … zusammengestrichen haben zwingen sie Leute, länger zu arbeiten.", schimpfte Tom Juravich aus Massachusetts. Viola Figueroa, 33, verlangte "ein Ende der erzwungenen Überstunden, damit wir … Zeit mit unseren Familien verbringen können". Die Wut ist groß wie seit dem UPS-Streik 1997 nicht mehr. Arbeiter bewarfen leitende Angestellte mit faulen Eiern und Feuerlöschern.


Die Militanz stieß vom ersten Tag an auf eine gewaltige Solidarität. Die Verizon-Bosse hatten sich telefonisch ein Mittagessen geordert. Der Lieferservice hielt am Streikposten – und verteilte die Mahlzeiten unter den Arbeitern! Der Präsidentschaftskandidat der US-Grünen, Ralph Nader, besuchte die Streikenden. Er klagte die Demokraten und die Republikaner an, Unternehmerinteressen über Arbeiterinteressen zu stellen: "George Bush ist ein wandelnder Konzern!"



Signalwirkung


Nach knapp einer Woche hatten die Kollegen eine Lohnerhöhung von 12% über drei Jahre in der Tasche. Die Überstunden dürfen 7,5 pro Woche nicht überschreiten – jeder Angestellte kann Überstunden ablehnen, wenn sie nicht mindestens einen Tag vorher angekündigt worden sind.


Doch die Gewerkschaften beendeten den Streik erst, nachdem sie sich Verizon verpflichtet hatte neutral zu bleiben, wenn CWA und IBEW Mobilfunk- und Internetarbeiter organisieren. "Ein gutes Vorbild für den Rest des Landes", meint CWA-Vertrauensmann Gavin Bobb. Im nächsten Jahr sind neue Tarifverträge für vier Telefonkonzerne dran, darunter der landesweite Anbieter AT&T.


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