Einwurf Extra: Afrika wird Europameister

Warum Nationalmannschaften dem Fußball schaden und Nationalismus schüren.


Der Portugiese Figo will lieber seine Mannschaft schwächen, als mit einem früheren Brasilianer spielen

„Jeder wird für sein Land bis aufs Blut kämpfen. Es wird Krieg geben.“ Nein, US-Präsident Bush hat seine Pläne für die Unterwerfung des gesamten Nahen Ostens noch nicht öffentlich vorgestellt. Der Satz stammt von einem Fußballer, der über sein nächstes Spiel spricht.
Patrick Vieira ist bisher weder durch Gewalttätigkeit noch nationalistische Parolen aufgefallen. Man kennt ihn als hervorragenden defensiven Mittelfeldspieler mit viel Übersicht und feiner Technik.
Vieira ist im Senegal geboren, spielt bei Arsenal London und ist dunkelhäutig. Doch weil bei einer Europameisterschaft Mannschaften aus Spielern zusammengewürfelt werden, die denselben Pass besitzen, spielt Vieira zurzeit für Frankreich – glücklicherweise höchstens drei Wochen.
Was ihn zu derart kriegerischen Sprüchen veranlasste, war das Spiel gegen England. Vieira spielte mit seinen Vereinskollegen Robert Pires und Thierry Henry. Für England starteten die Arsenal-Mitarbeiter Sol Campbell und Ashley Cole. Ebenfalls auf beiden Seiten vertreten waren Spieler aus Chelsea und von Real Madrid.
Und so sorgt die Europameisterschaft jeden Tag dafür, dass Spieler, die seit Jahren täglich miteinander trainieren, plötzlich auseinander gerissen werden oder sogar gegeneinander antreten. Weil die Nationalteams nur alle paar Monate kurz zusammenkommen und lustlose Kicker bei Freundschaftsspielen oft nur körperlich oder gar nicht anwesend sind, ist das gemeinsame Einstudieren von Spielzügen hier kaum möglich.
Obwohl die besten Fußballer des Kontinents bei der Europameisterschaft auflaufen, sind die gezeigten Spielzeuge oft erschreckend einfallslos. Doch in den Nationalmannschaften leiden nicht nur die spielerischen, sondern wie im Falle von Vieira auch die geistigen Möglichkeiten einiger Fußballer.
Der Franzose Zinedine Zidane und sein englischer Freund David Beckham begrüßten sich vor dem Spiel mit einem Küsschen. Ein paar Tage vorher sagte Zidane über das Spiel gegen England: „Ich werde Beckham wehtun müssen.“
Stefano Fiore versuchte, trotz beschränkter spielerischer Fähigkeiten in die italienische Mannschaft zu kommen, indem er Mauro Camoranesi die Daseinsberechtigung im Team absprach, weil er früher Argentinier war. Den lächerlichsten Beitrag zur Nationalitäten-Frage lieferte der Portugiese Figo. „Wenn man Chinese ist, spielt man für China“, sagte der Stürmer über seinen genialen Mitspieler Deco, der gerade den FC Porto aus Portugal gegen alle europäischen Spitzenmannschaften zum Champions League-Sieg geführt hat. Der Grund für Figos abfällige Bemerkung ist, dass Deco mal einen brasilianischen Pass besaß. Figo ist seit 1995 in Spanien zu Hause.
Seit Langem kaufen sich die Profivereine ihre Spieler aus der ganzen Welt zusammen. Doch sobald sie nach Staatsangehörigkeiten aufgestellt werden, versuchen zahlreiche Medien, die Spiele zu Kriegen zu machen, was sich dann bei manchen Spielern und Fans widerspiegelt.
Wie unsinnig es ist, Spieler mit gleichen Pässen in eine Mannschaft zu pressen, zeigt vor allem Turnierfavorit Frankreich. Dessen Chancen würden dramatisch sinken, hätte die Regierung nicht Millionen Afrikanern die Einwanderung gestattet, als die Wirtschaft noch Arbeitskräfte brauchte.
Denn gegen Kroatien standen zehn Spieler mit afrikanischen Vorfahren auf dem Platz. Keiner der Kicker lebt in Frankreich. Lediglich Torwart Barthez ist als einziger Weißer letztes Jahr aus England ins französische Marseille gewechselt.
Wenn die Fußballverbände endlich auf ihre Nationalmannschaften verzichten würden, müssten auch Spieler wie Robert Kovac und sein Bruder Niko nicht mehr für ihr „Heimatland“ Kroatien spielen, das sie nur aus dem Urlaub kennen. Ihre breite Berliner Schnauze verstehen die anderen „kroatischen“ Spieler aus Mailand, Monte Carlo oder Lissabon sowieso nicht.

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.