Unterstützen oder bekämpfen: Der Streit um den Krieg

Zu Beginn des Krieges gab es in der SPD drei unterschiedliche Haltungen: offene Befürworter, inkonsequente Gegner und Revolutionäre. Um ihre Ideen verständlich zu machen, dokumentiert Linksruck hier auszugsweise Reden von Vertretern der jeweiligen Strömung.

Dafür: Gustav Bauer

Laut Bauer ist gut für die Arbeiter, was gut für das Kapital sei. Deswegen sollten die Arbeiter Kriege unterstützen, die den deutschen Standort stärken:
„Das Proletariat ist an den Kapitalismus gefesselt. Mit seiner Entwicklung entwickelt es sich selbst. Je stärker der Kapitalismus, desto mehr wächst mit der Zahl des Proletariats seine Macht. Bei Kriegen einer europäischen Nation gegen eine andere muss in Betracht gezogen werden, dass es sich um den Kampf geschlossener Wirtschaftsgebiete gegen einander handelt.
Es wäre ganz falsch, wollte man meinen, das Proletariat könne solche Kämpfe zwischen zwei Wirtschaftsgebieten einfach mit der Erklärung abtun, dass es sich hier um den Streit zweier Kapitalistengruppen handele, bei dem es selber nicht beteiligt sei. Jeder Proletarier weiß oder fühlt es, oder es wird ihm schon von den Vertretern der bürgerlichen Parteien erzählt, dass mit dem Siege der Kapitalisten seines Landes deren Industrie emporblühen werde, dass es damit ihm auch relativ besser gehe, dass er mehr Lohn erringen könne, dass die Arbeitslosigkeit sinken werde und so weiter.
Solange der Kapitalismus herrscht, wird er noch immer genug Kraft aufbringen, um gegebenenfalls mit den äußersten Mitteln seine Ziele verfolgen zu können. Und solange der Kapitalismus die herrschende Produktionsform ist, wird er auch immer, wenn es sein Interesse erheischt, Kriege führen und dazu die Massen durch patriotische Phrasen begeistern können.“

Rede vor der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion, 3. Dezember 1913

Dazwischen: Hugo Haase

Der SPD-Linke Hugo Haase rechtfertigte den Krieg als Schutz der Deutschen vor der angeblichen Bedrohung durch ausländische Diktatoren:
„Wir stehen vor einer Schicksalsstunde. Die Folgen der imperialistischen Politik, durch die eine Ära des Wettrüstens herbeigeführt wurde und die Gegensätze unter den Völkern sich verschärften, sind wie eine Sturmflut über Europa hereingebrochen.
Die Sozialdemokratie hat diese verhängnisvolle Entwicklung mit allen Kräften bekämpft, und noch bis in die letzten Stunden hinein hat sie durch machtvolle Kundgebungen in allen Ländern für die Aufrechterhaltung des Friedens gewirkt. Ihre Anstrengungen sind vergeblich gewesen.
Jetzt stehen wir vor der ehernen Tatsache des Krieges. Uns drohen die Schrecknisse feindlicher Invasionen. Nicht für oder gegen den Krieg haben wir heute zu entscheiden, sondern über die Frage der für die Verteidigung des Landes notwendigen Mittel. Nun haben wir zu denken an die Millionen Volksgenossen, die ohne ihre Schuld in dieses Verhängnis hineingerissen sind.
Für unser Volk und seine freiheitliche Zukunft steht bei einem Sieg des russischen Despotismus, der sich mit dem Blute der Besten des eigenen Volkes befleckt hat, viel, wenn nicht alles auf dem Spiel. Es gilt, diese Gefahr abzuwehren, die Kultur und die Unabhängigkeit unseres eigenen Landes sicherzustellen.
Wir hoffen, dass die grausame Schule der Kriegsleiden in neuen Millionen den Abscheu vor dem Kriege wecken und sie für das Ideal des Sozialismus und des Völkerfriedens gewinnen wird. Von diesen Grundsätzen geleitet, bewilligen wir die geforderten Kriegskredite.“

Erklärung im Namen der SPD-Fraktion zur Bewilligung der Kriegskredite in der Reichstagssitzung vom 4. August 1914

Dagegen: Karl Liebknecht

Der revolutionäre SPD-Abgeordnete Karl Liebknecht lehnte den Krieg als imperialistisch ab und verteidigte das Selbstbestimmungsrecht der Völker:
„Meine Abstimmung zur heutigen Vorlage begründe ich wie folgt: Dieser Krieg ist nicht für die Wohlfahrt des deutschen oder eines anderen Volkes entbrannt. Es handelt sich um einen imperialistischen Krieg, einen Krieg um die kapitalistische Beherrschung des Weltmarktes, um politische Beherrschung wichtiger Siedlungsgebiete für das Industrie- und Bankkapital.
Die deutsche Parole ‚Gegen den Zarismus’ diente – ähnlich der jetzigen englischen und französischen Parolen ‚Gegen den Militarismus’ – dem Zweck, die edelsten Instinkte, die revolutionären Überlieferungen und Hoffnungen des Volkes für den Völkerhass zu mobilisieren. Deutschland, der Mitschuldige des Zarismus, das Muster politischer Rückständigkeit bis zum heutigen Tage, hat keinen Beruf zum Völkerbefreier. Die Befreiung des russischen wie des deutschen Volkes muss deren eigenes Werk sein.
Unter Protest jedoch gegen den Krieg, seine Verantwortlichen und Regisseure, gegen die kapitalistische Politik, die ihn heraufbeschwor, gegen die kapitalistischen Ziele, die er verfolgt, gegen die Annexionspläne, gegen den Bruch der belgischen und luxemburgischen Neutralität, gegen die Militärdiktatur, gegen die soziale und politische Pflichtvergessenheit, deren sich die Regierung und die herrschenden Klassen auch heute noch schuldig machen, lehne ich die geforderten Kriegskredite ab.“

Erklärung zur Ablehnung weiterer Kredite, 2. Dezember 1914

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