Attacke gegen den Sozialstaat

Mit heftigen Attacken auf die Gewerkschaften haben Bosse und Opposition eine Kampagne gegen den Sozialstaat gestartet.

FDP will Thatcher-Politik

"Wir müssen uns bei der Erneuerung der sozialen Marktwirtschaft die frühere britische Premierministerin Margaret Thatcher zum Vorbild nehmen. Wir brauchen eine gehörige Portion Thatcherismus in Deutschland", sagte FDP-Chef Westerwelle in der Bild.
Die Konservative Thatcher ist wegen ihrer Angriffe auf den Sozialstaat und als Gewerkschaftsfresserin in die Geschichte eingegangen. Von 1979 bis 1990 regierte sie Großbritannien mit eiserner Faust, um die Interessen der Bosse durchzuboxen.
Um Gewerkschaften zu entmachten, entwickelte sie gemeinsam mit den Bossen den geheimen "Ridley-Plan": Durch Attacken in den Medien und die Verbreitung von Lügen wurde die Öffentlichkeit gegen die Gewerkschaften aufgehetzt.
Dann ordnete Thatcher Massenentlassungen in einer Reihe staatlicher Betriebe an, um Streiks zu provozieren und diese dann niederzuschlagen: Unter anderem mit Hilfe einer neu gegründeten Anti-Streik-Einheit bei der Polizei, die Arbeiter brutal zusammenschlug.
Nachdem Thatcher die Widerstandskraft der Gewerkschaften besiegt hatte, privatisierte sie Staatsbetriebe und strich den Wohlfahrtsstaat radikal zusammen.
Zu Beginn von Thatchers Regierungszeit lebte ein Prozent der Briten unter der Armutsgrenze. Nach ihrem Rücktritt lebte jeder Fünfte in Armut.

"Deutschlands Gewerkschaften müssen entmachtet werden", fordert FDP-Chef Westerwelle. Sie seien eine "Plage für unser Land". Den Vorsitzenden der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und seine Stellvertreterin beschimpfte er sogar als "Totengräber des Sozialstaates und Wohlstands in unserem Land", weil sie Reformen des Arbeitsmarktes und des Sozialstaates im Wege stünden.

Welche Art Reformen sich Bosse und Opposition wünschen, hat zum Beispiel der stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Friedrich Merz deutlich gemacht: "Wir brauchen einen Paradigmenwechsel bei der Lohnfindung". Die Löhne seien zu hoch, behauptet er. Des Weiteren verlangt er von Rot-Grün, die Ausgaben des Staates kürzen: "Dazu sollten wir uns eine Sozialversicherung nach der anderen vornehmen". Das bedeutet automatisch Sozialkürzungen, zum Beispiel bei Arbeitslosen. "Da lassen sich Milliarden einsparen, trotz steigender Arbeitslosigkeit", meint Merz.

Und auch die Renten sollten laut Merz auf eine "Basissicherung" gestutzt werden. Damit das Geld im Alter trotzdem reiche, sollten "die Menschen wieder länger arbeiten" und sich mehr privat versichern.

Der Chef der mächtigen Unternehmervereinigung Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), Rogowski, stimmt ihm zu: "Natürlich bedeutet das Einschnitte – Einschnitte, die die Gewerkschaften nicht wollen". Alle Säulen des Sozialstaates stehen auf der Streichliste der Bosse. Weil die Gewerkschaften ein Hindernis für die Kürzungspläne sind, soll ihre Macht gebrochen werden. "Wenn man einen Sumpf austrocknen will, dann darf man nicht die Frösche fragen", sagte Friedrich Merz dem Spiegel.

Erstes Angriffsziel ist der Kündigungsschutz, ein von den Gewerkschaften hart erkämpfter und wichtiger Teil des Sozialstaates. Weniger Kündigungsschutz schafft nicht mehr Jobs, das wissen auch Opposition und Unternehmer. Aber wenn der Kündigungsschutz fällt, dann sind auch die Gewerkschaften geschwächt. CDU-Fraktionsvize Merz erklärt dazu: "Eine Lockerung des Kündigungsschutzes hat zwar nicht die Bedeutung, die Befürworter und Gegner eines solchen Vorhabens unterstellen, aber Symbolwirkung".

Zweites Angriffsziel ist der Flächentarifvertrag, der Arbeitnehmer unter anderem vor Lohndumping schützt. Er ist ebenfalls eine wichtige Errungenschaft der Gewerkschaften.

Unternehmerverbände fordern, dass Betriebe Verträge mit Löhnen bis zu 30 Prozent unter Tarif abschließen dürfen. BDI-Boss Rogowski will deshalb "die Beseitigung des Monopols vom Flächentarifvertrag".

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