Wir dürfen sie nicht hören

Im Irak kämpfen Gewerkschafter gegen Privatisierungen und für höhere Löhne. Ihren Delegierten hat die deutsche Botschaft die Einreise untersagt.

Solidarität gebraucht

„Jeder kann etwas tun, damit die Iraker doch noch nach Deutschland kommen“, sagt Phil Butland, der die Tour der Gewerkschafter mit organisiert hat. „Wir wollen die deutschen Behörden unter Druck setzen, damit den irakischen Gewerkschaftern die Einreise gewährt wird.
Zu den ersten Unterstützern der Kampagne für die Einreise zählt Heike Hänsel von der Linkspartei, die gerade in den Bundestag gewählt wurde: „Der Einreiseverweigerung durch die Deutsche Botschaft im Irak fehlt jegliche rechtliche Grundlage, so dass nahe liegt, dass die Entscheidung aus politischen Gründen getroffen wurde. Dies dürfen wir nicht hinnehmen, und ich werde meine Funktion als Abgeordnete wahrnehmen, um gegen diesen Vorgang zu protestieren und eine erneute Überprüfung der Visums-Anträge zu verlangen.“
Auch der Fachbereich Medien von verdi-Hamburg protestierte gegen die Visumsverweigerung.
Wir bitten um Proteste an die deutsche Botschaft in Bagdad: E-Mail: zreg@bagd.auswaertiges-amt.de ; Fax: 00870-600249552

Bosrah Abbood und Taha Breshdi machen gewerkschaftliche Arbeit: Sie kämpfen für höhere Löhne und gegen Privatisierungen, wie viele ihrer Kollegen in Deutschland und auf der ganzen Welt.

Ihre Arbeit ist schwierig. Denn Bosrah und Taha kommen aus Basra, dem industriellen Zentrum im Süden Iraks. Sie sind Mitglieder der unabhängigen Ölarbeitergewerkschaft GUOE. Die GUOE ist parteipolitisch neutral, wendet sich aber entschieden gegen die Besatzung und den Verkauf irakischer Betriebe an multinationale Konzerne.

Streiks sind auch nach dem Sturz Saddam Husseins im Irak verboten. Ein Gesetz, das gewerkschaftliche Organisierung in den großen Staatsbetrieben verbietet, wurde von den Besatzern übernommen.

Trotzdem erkämpfte die GUOE im August 2003 in einem 3-tägigen Streik höhere Löhne und Grundrechte für die Ölarbeiter.

Bosrah und Taha wollten Mitte Oktober auf Einladung der „Initiativgruppe Dialog mit irakischen Gewerkschaftern“ in Deutschland über den gewerkschaftlichen Kampf im Irak berichten.

Die geplante vierwöchige Veranstaltungstour wurde von über 100 gewerkschaftlichen, friedenspolitischen und globalisierungskritischen Gruppen und Stiftungen unterstützt.

Doch die rund 120 Zuhörer, die Bosrah und Taha auf ihrer ersten Station im Berliner DGB-Haus hören wollten, bekamen die beiden nicht zu sehen. Deutsche Behörden hatten ihnen das Visum für die Einreise verweigert.

Noch vor zwei Wochen hatte die deutsche Botschaft in Bagdad schriftlich bestätigt, dass alle erforderlichen Unterlagen für die Erteilung der Visa vorlägen. Die beiden Iraker sollten sich die Visa am 18. Oktober abholen. Dann wurden sie zwei Tage lang mit der Auskunft vertröstet, die Genehmigung des Auswärtigen Amtes stünde noch aus.

Am 20.Oktober dann wurden die Visa-Anträge der Iraker mit der mündlichen Begründung abgewiesen, ihre Reisekrankenversicherung sei „unzureichend“.

Auf Anfrage von Linksruck sagte der Menschenrechtsanwalt Eberhard Schultz zum Verfahren: „Für die Visumsvergabe in der Regel die Botschaft zuständig. Doch die Botschaft steht natürlich unter Aufsicht des Auswärtigen Amtes. Das AA kann jederzeit in den Prozess eingreifen.“ Das Auswärtige Amt wiederum untersteht dem Bundesaußenminister.

Schultz berichtet, schon früher seien Visa aus politischen Gründen verweigert worden: „Das passiert, doch ohne eine ausdrückliche politische Begründung. Da die Visumsvergabe kein Urteil, sondern ein Verwaltungsakt ist, sind die Behörden überhaupt nicht zu einer Angabe von Gründen verpflichtet. Darum ist es schwer nachzuvollziehen , warum wer abgelehnt wird.“

Anfang Oktober verweigerten auch die italienischen Behörden Vertretern der zivilen Opposition die Einreise, so dass sie an einer internationalen Irak-Konferenz in Rom nicht teilnehmen konnten. Unter ihnen war auch das Folteropfer Haj Ali, dessen Bild mit Kapuze und Elektrodrähten um die Welt ging. 44 US-Kongressabgeordnete hatten die italienische Regierung aufgefordert, die Konferenz zu verbieten.

Die Regierungen, die sich am Feldzug der USA beteiligen, wollen dringend verhindern, dass die Menschen in ihren Ländern von den Anliegen des zivilen Widerstands erfahren und sich mit den Gewerkschaftern im Irak solidarisieren.

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