Wohnst Du noch?

Finanzgesellschaften kaufen Sozialwohnungen und erhöhen die Mieten. Union und SPD wollen das fördern.

Bis letztes Jahr bot die Wohnungsgesellschaft GSW in Berlin billige Wohnungen für arme Menschen. Heute verspricht sie hohe Renditen für reiche Anleger.

Denn 2004 hat das Land Berlin die GSW an den Investmentfonds Cerberus verkauft. Dessen Ziel ist, mit den Wohnungen schnell Kasse zu machen, um die Anleger des Fonds zu bedienen.

Cerberus wird zum Beispiel Doris Kohl, 58 Jahre alt und erwerbsunfähig, die Kaltmiete verdoppeln, weil ihre Wohnanlage „modernisiert“ wird. Wie viele Bewohner kann sich auch Doris keine höhere Miete leisten und muss ausziehen, erzählte sie der Berliner Zeitung.

Für Cerberus ist jemand wie Doris Kohl ein Hindernis für höhere Rendite. Arme werden durch zahlungskräftige Bewohner ersetzt. „Mieter drehen“ heißt das im Branchenjargon.

Für sozial Schwache bezahlbare Wohnungen werden sich „in Berlin stark verringern“, sagt Joachim Oellerich von der Berliner Mietergemeinschaft e.V. gegenüber Linksruck.
CDU und SPD haben im Koalitionsvertrag der Bundesregierung vereinbart, solche Investitionen zu fördern. Damit wollen sie „einen international wettbewerbsfähigen Finanzplatz Deutschland“ und eine „kostengünstige Kapitalversorgung der Wirtschaft“ erreichen.

Überall verkaufen Kommunen Wohnungen, um ihre Schulden zu senken. Für Finanzunternehmen versprechen hohe Gewinne, weil die Wohnungen mit öffentlichen Mitteln gepflegt wurden und in gutem Zustand sind.

„Die frühere Wohnungsgemeinnützigkeit und 50 Jahre erfolgreicher sozialer Wohnungsbau haben Goldadern gelegt, die jetzt gehoben werden“, erklärte Lutz Freitag, Präsident des Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen gegenüber dem stern-Magazin.

Nach Schätzung des Deutschen Mieterbundes besitzen Finanzgesellschaften schon ein Viertel aller Wohnungen, die ursprünglich aus sozialen Gründen gebaut wurden.

Die privatisierte Kieler Wohnungsbaugesellschaft (KWG) sieht arme Mieter nicht als Hindernis. Arbeitslose seien „garantierter Cashflow“ (garantierter Ertrag), sagte Geschäftsführer Andreas Marggraf gegenüber dem stern. Denn die Arbeitsagentur zahlt.

Die Finanzgesellschaft Blackstone, Besitzer der KWG, nutzt das, um den Mietern neue Verträge mit höherer Miete aufzudrängen. Zum Beispiel, indem Gebühren für die Benutzung des Flurs aufgeschlagen oder Trittflächen vor der Feuerleiter als „Balkon“ vermietet werden. Ein Mieter der Seniorenwohnanlage am Kieler Bebelplatz berichtete dem stern, seine Miete sei seit dem Verkauf der KWG von 200 auf 320 Euro gestiegen.

Laut Deutschem Mieterbund werden durch den Verkauf staatlicher Wohnungen Obdachlosigkeit und Gettobildung zunehmen. Die Regierung hingegen erwartet von der Förderung der Immobilieninvestoren laut Koalitionsvertrag „positive Wirkungen auf Immobilienmarkt und Standortbedingungen“.

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.