Millionen wollen eine starke linke Opposition

Führende Mitglieder der WASG erklären, warum sie – trotz einiger Differenzen mit der Linkspartei – ein Zusammengehen der Parteien unterstützen.

Gerd Nier ist Mitglied im Kreisvorstand der WASG Göttingen und im niedersächsischen Landesvorstand. Er arbeitet als Berufschullehrer und ist Mitglied der Gewerkschaft ver.di


Gerd Nier: Verschiedene linke Parteien, Organisationen und Strömungen zusammenzuführen ist kein Spaziergang. Das zeigt schon die Geschichte der Linken in Deutschland. Insofern beunruhigt mich das Ringen von WASG und Linkspartei um die richtige Organisationsform, den zeitlichen Fahrplan und die Eckpunkte für ein gemeinsames Programm nicht wirklich.
Das Ergebnis der Bundestagswahl 2005 hat gezeigt, dass Millionen Menschen in Deutschland linke Politik wollen – und eine starke linke Opposition im Parlament. Unser Wahlerfolg darf kein kurzfristiges Strohfeuer sein.
Der Weg zu einer dauerhaften und erfolgreichen Linken führt nur über die Gründung einer gemeinsamen neuen Partei, die mehr darstellt als die reine Fusion von WASG und Linkspartei.
Eine vereinigte neue linke Partei kann viel mehr Menschen ansprechen und gewinnen als die derzeit rund 70.000 Mitglieder von WASG und Linkspartei zusammen.
Natürlich sind wir uns nicht nur einig. Der Dissens über mögliche Regierungsbeteiligungen kann nicht weggeredet werden. Hier muss dringend eine klare inhaltliche Position formuliert werden, unter welchen Bedingungen dies für eine linke Partei, die den Namen verdient, überhaupt möglich ist.
Die Regierungsbeteiligung der PDS in Berlin hat sich als Falle herausgestellt und sollte beendet werden. Denn neoliberale Politik kann nicht verbessert werden und „Mitgestalten“ von Sozialabbau ist nicht links.
Neoliberale Politik lässt sich nur durch eine grundsätzlich andere Politik bekämpfen, wofür wir 2005 das Vertrauen der Wähler bekommen haben. Also lasst uns die Kräfte bündeln gegen die Bolkestein-Richtlinie, gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr und für den Ausbau des Sozialstaats, für soziale Gerechtigkeit und internationale Solidarität.

Brigitte Ostmeyer ist im Kreisvorstand der WASG Böblingen, WASG-Länderratsdelegierte von Baden-Württemberg und Mitglied der Steuerungsgruppe von WASG und Linkspartei, die den Parteibildungsprozess vorbereitet


Brigitte Ostmeyer: WASG und Linkspartei müssen unbedingt versuchen, zusammen zu gehen. Ich bin überzeugt, dass auf absehbare Zeit keine von uns allein die Fünf-Prozent-Hürde stemmen könnte.
Wir brauchen in Deutschland aber eine starke Partei links der SPD. Eine Partei, die Alternativen zur herrschenden Politik aufzeigt, die dafür wirbt, dass statt Sozialabbau die Einnahmen des Staates steigen und wir bei denen das Geld holen müssen, die es haben: bei den Reichen und den Konzernen, eine Partei, die zeigt, dass eine andere Politik möglich ist.
Dafür haben sich in den letzten Jahren nur außerparlamentarische Bewegungen stark gemacht. Diese Gegenstimmen brauchen wir auch im Parlament. Deshalb kritisiere ich die Politik der Linkspartei in der Berliner Landesregierung, wo die Linkspartei als Juniorpartner der SPD für den Ausstieg aus der Tarifgemeinschaft und die Privatisierung des sozialen Wohnungsbaus mitverantwortlich ist.
Grundsätzlich ist es legitim, eine Regierungsbeteiligung anzustreben, aber nur, wenn wir damit eine sichtbare politische Richtungsänderung durchsetzen können. Das scheint mir weder mit der SPD in Berlin noch mit der SPD im Bund möglich. Die SPD steht zurzeit offensichtlich nicht für den von uns propagierten Richtungswechsel zur Verfügung.
Um trotz aller Widersprüche das Projekt einer vereinigten Linken umzusetzen, haben WASG und Linkspartei vereinbart, über die künftigen gemeinsamen Positionen demokratisch und in öffentlichen Foren auf Bundes-, Länder- und Kreisebene zu diskutieren und dabei auch die Mindestbedingungen an eine künftige Regierungsbeteiligung zu erörtern.
Als linker roter Faden könnte die von Oskar Lafontaine jüngst formulierte Vorlage dienen: 1. Keine Umverteilung von unten nach oben, 2. Keine Privatisierung von Gütern der öffentlichen Daseinsvorsorge, 3. Keine Zustimmung zu völkerrechtswidrigen Kriegen.

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