Interview: "Ein Bedürfnis nach Widerstand"

Am 16. August laden Gewerkschafts-Linke und das Anti-Hartz-Bündnis in Frankfurt zur Aktionskonferenz gegen Sozialabbau ein. Roswitha Müller vom Anti-Hartz-Bündnis Köln hat den Kongress mit vorbereitet.
Was ist das Ziel der Aktionskonferenz?
Wir brauchen im Herbst gemeinsame Aktionen gegen den Sozialabbau der Regierung. In Frankfurt wollen wir über eine deutschlandweite Demonstration am 1. November sprechen. Auch gegen die dritte und vierte Lesung der Hartz-Gesetz Mitte September und am 20. Oktober sollten wir protestieren – weil sie der Politik der "Agenda 2010" ähneln.

Du arbeitest im Anti-Hartz-Bündnis Köln. Warum habt ihr euch gegründet?
Die Anti-Hartz-Bündnisse wurden gegründet, weil die Vorschläge der Kommission des VW-Managers Hartz einen harter Schlag gegen Arbeitslose sind. Mittlerweile gibt es mehrere Gruppen: in Berlin, Hamburg, Hannover, Düsseldorf, Köln und im Saarland. Wir haben schon drei deutschlandweite Treffen gehabt. Auf dem letzten haben wir die Aktionskonferenz beschlossen.

Warum mobilisieren die Anti-Hartz-Bündnisse gegen die "Agenda 2010"?
Mit der Agenda 2010 will die Schröder-Regierung hunderttausende Arbeitslose zu Sozialhilfeempfängern machen. Gleichzeitig sollen sie dazu gezwungen werden, noch so schlecht bezahlte Arbeit anzunehmen.
Der so geschaffene Billiglohnsektor kann von den Unternehmern dann zum Unterwandern der Normallöhne benutzt werden. Deshalb bereitet die "Agenda 2010" Lohnsenkungen den Weg, Tarifverträge werden ausgehöhlt. Damit greift die Regierung alle Lohnabhängigen an.

Was will die Regierung?
Aus den Taschen der Arbeiter den letzten Euro rausholen, um die Profite der Unternehmer zu erhöhen. Darauf zielen alle Vorschläge der Regierung ab. Wir sollen bis 67 arbeiten, damit die Rentenbeiträge sinken. Wenn wir dann kaputt gearbeitet sind und nicht mehr funktionieren, dann sollen wir noch für die Gesundheitsversorgung draufzahlen.

Schröder behauptet, die Mehrheit würde seine Politik unterstützen.
Das ist nicht meine Erfahrung. Kürzlich haben wir vor dem Kölner Rathaus Aktionen gegen den Kürzungshaushalt der Stadt gemacht. Viele Leute haben uns unterstützt.
Wir müssen Alternativen aufzeigen. Ford zahlt in Köln keinen Cent Gewerbesteuer. Der Konzern darf nämlich seine Gewinne mit Verlusten in aller Welt verrechnen. Solche Beispiele sind wichtig, um zu überzeugen.

Auch die Führungen der Gewerkschaften sagen, es gäbe keine Unterstützung für Proteste gegen die Regierung.
Die Gewerkschaftschefs fahren einen selbstmörderischen Kurs. Im Frühjahr trat die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di kurz vor der Urabstimmung die Bremse in den Tarifverhandlungen. Später ließ der damalige IG Metall-Chef Zwickel den Streik im Osten scheitern.
Gegen die Agenda 2010 mobilisieren die Gewerkschaftsführungen auch nicht. Nichts tun, und sich dann beschweren, dass es keine großen Proteste gibt – das ist die Taktik der Gewerkschaftsspitzen. Sie haben Angst, der SPD zu schaden.

Zwickel sagte, die Gewerkschaften könnten nicht auf volle Konfrontation gehen, weil es zur SPD keine Alternative gebe.
Entscheidend ist doch, dass Sozialstaat erhalten bleibt – egal unter welcher Regierung. Wenn wir es schaffen, die Kürzungen der Schröder-Regierung zurückzuschlagen, dann hat es jede andere Regierung auch schwer, den Sozialstaat abzubauen.

Herrscht jetzt Ruhe in den Gewerkschaften?
Nein, viele Gewerkschaftsgruppen wollen was tun. Linke Gewerkschafter unterstützen die Aktionskonferenz. Gewerkschafter hier in Nordrhein-Westfalen haben das Bündnis Soziale Bewegung angestoßen.
Wenn die Gewerkschaften nicht handeln, aber Menschen sich gegen Kürzungen wehren wollen, dann entsteht eine politische Lücke. Deswegen werden in ganz Deutschland Sozialforen und Anti-Hartz-Bündnisse gegründet. Sie drücken den Wunsch vieler Menschen nach Widerstand aus.

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