"Holt die Truppen zurück"

Während die Besatzung der US-amerikanischen und britischen Armee im Irak immer blutiger wird, bereitet die Antikriegsbewegung weltweit einen Aktionsmonat gegen Krieg und Besatzung im September vor. Linksruck sprach mit Aktivisten aus den USA und Großbritannien über den Kampf gegen die Besatzung.

Termine in Deutschland

1. September
Bundesweiter Anti-Kriegs-Tag
Termine unter
www.friedensratschlag.de

13./14 und 20./21.September
Tagung "Irak: Das neue Vietnam?"
Imperialismus und Widerstand im 21. Jahrhundert

Berlin – 030/62724899

Chemnitz – 0371/444660

Franfurt/M. – 0179/8938160

Freiburg – 0179/9055512

Hannover – 01746698660

Hamburg – 0174/2344114

Heidelberg – 0177/4008790

München – 089/74689402

Stuttgart – 0711/4709466

27. September
Weltweiter Aktionstag

"Die größte Bewegung der Welt"

Ghada Rizuki ist in Großbritannien im Bündnis Stoppt den Krieg aktiv, einer großen Bewegung aus Gewerkschaften, Muslimen, Christen und linken Gruppen. Das Bündnis hat am 15. Februar in London 2 Millionen Menschen gegen den Krieg im Irak auf die Straße gebracht.

Am 27. September demonstriert ihr in London gegen die Besatzung. Wird die Antikriegsbewegung in Großbritannien wieder lebendiger?
Auf alle Fälle. Doch die Bewegung war niemals wirklich weg. Am 21. Juni hatten wir eine Aktionskonferenz organisiert, um das weitere Vorgehen zu besprechen. 600 Leute aus dem ganzen Land sind gekommen. Wir waren uns einig, dass der Kampf gegen die Besatzung unser zentrales Projekt sein muss. Die Demonstration am 27. September ist ein wichtiger Schritt zu einer breiteren Kampagne.
Wir machen wieder überall im Land Veranstaltungen und Informationsstände. Das kommt sehr gut an.

Lehnen immer noch viele Leute den Krieg ab?
Ja, absolut. Premierminister Blair hat gelogen, als er sagte, im Irak gebe es Massenvernichtungswaffen. Nicht nur einmal, sondern wieder und wieder. Die Hälfte der Briten glaubt Blair nicht mehr.
All diese Menschen werden in der britischen Politik nicht repräsentiert. Blair hat gegen den Willen der Mehrheit Krieg geführt und den Irak besetzt. Er hat die Demokratie mit Füßen getreten.
Deshalb organisieren wir am 30 August eine Volksversammlung, mit Delegierten aus dem ganzen Land. Hier wollen wir Blair öffentlich anklagen: Wegen Lügen, Täuschung und anderer Verbrechen. Ich denke, mehr als 1.000 Menschen werden teilnehmen.

Ihr fordert den sofortigen Abzug der Besatzungstruppen. Fürchtet ihr nicht, dass der Irak im Chaos versinkt?
Das Chaos regiert jetzt, durch den Krieg und durch die Besatzung. Durch die Bombardierung wurde die Wasser- und Stromversorgung zerstört und bis heute von den Besatzern nicht wiederhergestellt. Kannst dir vorstellen, wie es ist, bei 50 Grad in einer Millionenstadt wie Bagdad ohne fließend Wasser zu leben?
Ich habe kürzlich mit meiner Cousine in Bagdad telefoniert. Sie sagte: "Unser Land hat die zweitgrößten Ölreserven der Welt. Aber es ist unmöglich, Benzin aufzutreiben. Wir sind von einer Hölle in die nächste geraten."
Jeden Tag wird klarer, dass den Besatzern die Iraker egal sind. Ölförderanlagen werden geschützt – Krankenhäuser, Wasserpumpen und Stromgeneratoren nicht.

US-Präsident Bush behauptet, nur Anhänger Saddams würden Widerstand leisten.
Gerade sind im Fernsehen große Demonstrationen in Basra im Irak zu sehen. In Basra leben fast nur Schiiten, die von Saddam besonders hart unterdrückt wurden und ihn deshalb hassen. Sie gehen auf die Straße, weil es kein Benzin gibt, um Stromgeneratoren anzutreiben. Britische Soldaten haben in die Demonstration geschossen und Menschen ermordet – genauso wie US-Soldaten in Bagdad auf Demonstranten schießen.
Die Armeen sind ins Land gekommen und haben die Infrastruktur zerstört. Sie nehmen das Öl, sie installieren eine Marionettenregierung, sie verweigern den Irakern Demokratie. Deshalb organisieren die Iraker Widerstand – auch diejenigen, die Saddam gehasst haben.

Wie soll es im Irak weitergehen?
Die Iraker wollen Selbstbestimmung. Sie sind keine Tiere, die von Besatzern zur Demokratie erzogen werden müssen. Es gibt im Irak eine lange Tradition des Kampfes gegen Tyrannei – ob gegen die früheren Kolonialmächte, gegen brutale Könige oder gegen die Diktatur von Saddams Baath-Partei. Deshalb folterte und ermordete er zehntausende Menschen – um ihren Freiheitswillen zu ersticken.
Auf dieser Tradition können die Iraker ein freies Land aufbauen: Ohne Besatzung, aber mit der Kontrolle der Iraker über ihr Land und seinen Reichtum.

Manche Journalisten reden von einer "Vietnamisierung" der Besatzung.
Die Situation der US-Armee ist tatsächlich ähnlich. Wie in Vietnam in den 60ern und 70ern führen die USA einen Krieg, den sie nicht gewinnen können, weil sie ein Land besetzen, in dem sie verhasst sind. Jeden Tag gibt es Angriffe, hauptsächlich auf US-Truppen. Fast jeden Tag werden Soldaten getötet.
Die Besatzer reagieren mit immer größerer Brutalität, erschießen willkürlich Passanten. Dadurch schließen sich wiederum immer mehr Iraker dem Widerstand an. Teile der US-Armee im Irak sind mittlerweile sehr verzweifelt.
Noch kämpfen die Iraker nicht so erfolgreich wie damals die Vietnamesen. Aber der Widerstand gegen den Krieg im Irak ist weltweit wesentlich größer. Jetzt, da offensichtlich wird, dass der Krieg eine Besatzung gegen den Willen der Iraker gebracht hat, sind Bush und Blair in einer sehr schwachen Position.

Auch gegen den US-Krieg in Vietnam haben weltweit Millionen Menschen demonstriert. Gibt es einen Unterschied zur Antikriegsbewegung heute?
Die Bewegung ist heute wesentlich weiter. In den 60ern hatten die USA schon drei Jahre Krieg geführt bevor die ersten Menschen protestierten. Gegen den Krieg im Irak haben wir die größte Bewegung auf die Beine gestellt, die es in Großbritannien je gab – und zwar bevor der Krieg begonnen hatte! Am 15. Februar gab es gegen den Krieg global die größte Demonstration der Geschichte.
Deshalb sind die Enthüllungen über Bushs Lügen über Massenvernichtungswaffen im Irak, der Einsatz von Napalm-Bomben durch die US-Armee und die Brutalität der Besatzung so ein großes Problem für Bush und Blair: Hunderttausende waren schon auf der Straße. Jetzt erfahren sie: Wir haben recht. Alles was wir befürchtet haben, ist eingetroffen.
Wir konnten diesen Krieg nicht verhindern, aber wir können Bush und Blair immer noch die Macht über den Irak entreißen. Wenn wir jetzt gegen die Besatzung auf die Straße gehen, sind unsere Gegner schwächer als zuvor.

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