Europäisches Sozialforum: 50.000 Menschen, die die Welt verändern wollen

Tausende Menschen aus ganz Europa sind zum Europäischen Sozialforum ESF nach Frankreich gekommen, um über eine Alternative zu Sozialabbau und Krieg zu reden und dafür zu kämpfen.

Deutschland-Paris und zurück

Am Rande des ESF berieten rund 500 Menschen aus Deutschland, wie die Bewegung gegen Sozialabbau und Krieg hier weitergehen kann.

Matthias Fritz, Vertrauensmann der IG Metall in Stuttgart, bestätigte in seinem einleitenden Beitrag, dass die "depressive Stimmung" in den Betrieben inzwischen in "trotzigen Optimismus" umgeschlagen sei. Entscheidend dafür sei die betriebliche Mobilisierung zur Demonstration am 1. November gegen Sozialabbau gewesen.

Viele anwesende Betriebsräte und Vertrauensleute aus ganz Deutschland bestätigten diese Einschätzung. Gewerkschaftsführer wie Horst Schmitthenner von der IG Metall oder Frank Bsirske von ver.di, die das Treffen besuchten, wurden dagegen scharf von den Kollegen kritisiert, weil sie die Demo am 1. November nicht ausreichend unterstützt hatten.

Wolfgang Alles aus Mannheim: "Ich habe den Eindruck, dass der zentrale Apparat der IG Metall die Stimmung an der Basis nicht mehr versteht. Aber die Kollegen haben verstanden, was die Agenda 2010 bedeutet."
Die Teilnehmer verabschiedeten eine Solidaritätserklärung mit den streikenden Unis in Deutschland und sprachen sich für einen europaweiten Aktionstag gegen Sozialabbau aus.


Ernsthafter und radikaler – so hat sich das zweite Europäische Sozialforum in Paris im Vergleich zu seinem Vorläufer in Florenz im letzten Jahr entwickelt. Mehr als 50.000 Menschen haben in hunderten von Veranstaltungen über Alternativen zu einem Europa des Sozialabbaus und des Kriegs geredet und über Strategien diskutiert, mit denen diese Alternativen zu erreichen sind.
Mehr als 100.000 Schüler, Studenten und Arbeiter demonstrierten am Samstag zum Abschluss des ESF in Paris. Einige Demonstranten, wie eine Delegation von Vertrauensleuten von VW Wolfsburg, waren extra zu dieser Demonstration angereist.
In vielen europäischen Ländern haben Aktivisten im letzten Jahr die Erfahrung gemacht, dass es möglich ist, sich zu wehren: In Frankreich, Italien und auch in Polen hat es große Streiks gegeben.
In vielen europäischen Hauptstädten beteiligten sich Menschen an dem weltweiten Aktionstag gegen den Krieg am 15. Februar 2003, der auf dem letzten ESF in Florenz beschlossen wurde. Die wachsenden Bewegungen bereiten den Herrschenden weltweit Probleme. Zugleich sehen sie sich vor die Frage gestellt, wie sie weiter vormachen sollen.
Diese Frage ist in Paris diesmal sehr anschaulich diskutiert worden. Der Ehrenpräsident von Attac Frankreich, Bernard Cassen, erklärte hat auf einer Veranstaltung: "Es kann nicht sein, dass wir uns ewig in der Opposition befinden. Wir müssen unsere Ideen denen bringen, die an der Regierung sind. Eines Tages wird es vielleicht so sein, dass diese Ideen Teil der Strukturen sein werden."
Im Gegensatz dazu haben bezeichneten es Redner aus dem Publikum als Irrweg, Regierungen zu beraten und einen neuen Marsch durch die Institutionen anzutreten. Die Bewegungen hätten die Aufgabe, Mehrheiten in der Bevölkerung für den Widerstand gegen Sozialabbau und Krieg zu gewinnen.
Andere Debatten haben sich mit der Frage beschäftigt, welche Bündnispartner in diesem Widerstand wichtig sind. Auf einer Veranstaltung diskutierten mehrere hundert Menschen, ob die Arbeiterklasse noch die Kraft habe, die Gesellschaft zu verändern.
Walden Bello, ein Vordenker der Bewegung aus den Philippinen, warb für internationalen Widerstand: "Die Menschen im Irak, die unter dem eisernen Stiefel des Imperialismus leben, brauchen unsere Unterstützung. Wir müssen ihren Kampf mit unserem Kampf um eine bessere Welt verbinden."
Nach dem offiziellen Ende des ESF fand wie in schon Florenz die Versammlung der Sozialen Bewegungen statt, auf der weitere Schritte und Kampagnen vorgestellt wurden.
Die Teilnehmer sind sich einig gewesen, gegen Krieg vor allem im Irak, in Palästina und Tschetschenien zu mobilisieren. Für den 20. März 2004 ist der nächste internationale Aktionstag gegen Krieg und Besatzung geplant.
Die sozialen Bewegungen rufen insbesondere die Gewerkschaften zur Mobilisierung gegen Sozialabbau auf, möglichst im Rahmen eines europaweiten Aktionstags. Die Kämpfe gegen Sozialabbau sollen zu einem gemeinsamen Protesttag gegen die europäische Verfassung am 9. Mai 2004 in Rom zusammenkommen.

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