Der Schweiß läuft in Strömen

In Betrieben ohne Tarifverträge beuten die Bosse Arbeiter noch rücksichtsloser aus als sonst."Ich wünsche mir manchmal ein großes Lagerfeuer, um das Betriebsverfassungsgesetz und die Tarifverträge hineinzuwerfen. Danach könnte man einfach wieder von vorn anfangen", sagte Ende Oktober der Boss des mächtigen Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Rogowski.
Statt Tarifverträgen wollen die Bosse "Bündnisse für Arbeit im Betrieb" – im Klartext: zahme Betriebsräte, kein Einfluss der Gewerkschaft und billige und willige Arbeiter. So wie beim Windkraftanlagenhersteller Nordex in Rostock: Dort verweigert die Firmenleitung einen Tarifvertrag. Die Kollegen schuften im Zweischichtsystem zu einem Stundenlohn von acht bis neuen Euro brutto.
Mit Zustimmung des Betriebsrates ist die Arbeitszeit seit Jahresbeginn von 37,5 auf 40 Wochenstunden erhöht worden – ohne Lohnausgleich. Mit der Sicherung von Arbeitsplätzen hat das nichts zu tun: Firmensprecher Peters kündigte trotz niedriger Löhne und höherer Arbeitszeit an, dass 130 Jobs vernichtet werden.
Gewerkschafter sind bei Nordex nicht willkommen: Zwei Mitglieder der betrieblichen Tarifkommission der IG Metall haben die Bosse gefeuert. Der ihnen eigentlich zustehende Kündigungsschutz wurde aufgehoben, weil der Betriebsrat zustimmte.
Auch die Stadtbäckerei Jena ist tariffreie Zone. Der Lohn für einen Facharbeiter liegt etwa 1.000 Euro unter dem Flächentarifvertrag. Die 150 Arbeiterinnen und Arbeiter schuften sechs bis sieben Tage in der Woche acht Stunden – bei einer Raumtemperatur von 45 Grad. Der Schweiß läuft in Strömen, aber für 60 Kolleginnen gibt es nur vier Duschen. Vor der Toilette ist eine Videokamera installiert, mit der überwacht werden kann, wie lange jemand auf Toilette geht: Jedem stehen nur sechs Minuten zu.
Wer sich wehrt und einen Betriebsrat gründen will, wird von der Geschäftsleitung attackiert, im wörtlichen Sinn: Als ein Kollege Flugblätter für eine Versammlung zur Betriebsratswahl verteilte, wurde er von Geschäftsführer Wolf tätlich angegriffen. Die Versammlung musste unter Polizeischutz abgehalten werden.

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