Islam – eine Religion wie jede andere

Spätestens seit dem 11. September stempeln westliche Medien und Politiker den Islam als Feind der Demokratie und der westlichen Welt ab. Aber der Islam unterscheidet sich in seinem Wesen von keiner anderen Religion.Bei den Angriffen auf den Islam wird gerne betont, es seien nicht alle Muslime gemeint. Dennoch behauptet beispielsweise der Spiegel in seinem Special "Allahs blutiges Land", auf der Arabischen Halbinsel ständen sich "westlicher und orientalischer Lebensstil, demokratische und absolutistische Gesellschaftssysteme gegenüber."
Der Spiegel zeichnet ein Bild des Islam als von Grund auf der Demokratie feindliche Religion und bezeichnet den Koran als "brennende Lunte".
Für die in Deutschland lebenden Muslime bedeutet diese Verteufelung ihrer Religion, dass sie einer enormen Hetze ausgeliefert sind. Die Polizei dringt auf Verdacht hin in Moscheen ein und verhaftet angebliche Terroristenführer, die sie oft bald wieder entlässt, weil sie unschuldig sind. Mehrere Bundesländer haben angekündigt, muslimischen Lehrerinnen das Tragen von Kopftüchern zu verbieten.
Viele der in Deutschland lebenden Muslime kommen aus Diktaturen, deren Herrscher seit langem westlichen Regierungen und Konzernen dabei behilflich sind, die Menschen dort auszubeuten. Falls sie sich sträuben, werden sie oft mit Waffengewalt dem Westen gefügig gemacht, wie gerade im Irak.
Auf der Flucht vor Gewalt und Armut kommen viele Menschen nach Europa. Hier sehen sie sich nun Ausgrenzung und rassistischer Hetze ausgeliefert.
In solchen Situationen suchen Menschen seit langem Halt in der Religion. Karl Marx beschrieb Religion treffend als den "Seufzer der bedrängten Kreatur, das Gemüt einer herzlosen Welt… Sie ist das Opium des Volkes."
Die Religion kann durch die Hoffnung auf ein besseres Leben nach dem Tod das "diesseitige" Leben erträglicher machen und trotz der gesellschaftlichen Zersplitterung ein Gemeinschaftsgefühl vermitteln.
Andererseits wurden Religionen –egal ob Christentum, Judentum oder Islam– immer wieder von unterschiedlichen Klassen benutzt, um ihre Interessen zu rechtfertigen. Die herrschende Klasse erklärt die bestehende Unterdrückung als gottgewollt, die Unterdrückten fordern im Namen Gottes mehr Gerechtigkeit.
Einige Muslime betonen, dass der Koran von den Reichen eine Abgabe für die Armen fordert, andere dagegen, dass es Diebstahl sei, wenn Arme von den Reichen nehmen oder dass Ungehorsam gegenüber einem "gerechten" Regime ein Verbrechen sei.
So fanden sich Menschen in der Geschichte immer wieder auf unterschiedlichen Seiten im Kampf wieder, obwohl sie derselben Religion angehörten. So kämpfte Martin Luther gegen die christliche Kirche und heute kämpfen Islamisten in Saudi Arabien gegen die repressive Monarchie, die mit islamisch begründeten Gesetzen die Bevölkerung unterdrückt.
Dieser Widerspruch gehört zum Wesen der Religionen. "Das religiöse Elend ist gleichzeitig der Ausdruck des wirklichen Elends und des Protests gegen das wirkliche Elend", schrieb Marx.
Der Islam ist dabei weder besonders rückständig noch besonders fortschrittlich. Der Koran enthält neben Einschränkungen für Frauen auch Anweisungen, Frauen gerecht zu behandeln oder das Gebot zu religiöser Toleranz. Viele Juden, die aus Europa vertrieben wurden, fanden im Osmanischen Reich Zuflucht.
Zu Tradition des Christentums gehört auch die Inquisition genauso wie fortdauernde Frauenunterdrückung und Hetze gegenüber Homosexuellen. In der jüngeren Geschichte haben sich viele sowohl katholische wie auch protestantische Geistliche auf die Seite übler Diktaturen gestellt.
Aber die dunklen Seiten des Christentums werden ausgeblendet, während die vermeintlich "grundsätzlich unfreie Einstellung" des Islam angeprangert wird.
Menschen versuchen mit Religion, ihre reale Hilflosigkeit wenigstens in ihrer Vorstellung zu überwinden. Und sie greifen dabei jene Elemente auf, die sich gegen die Ungerechtigkeiten der Klassengesellschaften wie Diskriminierung, Ausbeutung und Krieg aussprechen.
Das Problem besteht darin, dass die Religion – auch wenn sie manchmal als Befreiungslehre dient – die Klassenspaltung der Gesellschaft verschleiert und darum einen erfolgreichen Kampf gegen die Herrschenden behindert.
Marx kritisierte darum die Religion als Weltanschauung hart, jedoch nicht die Menschen, die religiös sind. Seine Kritik richtete sich dagegen, dass die Religionen die Menschen mit scheinheiligen Versprechungen vertrösten, ohne ihnen einen Ausweg aus dem konkreten Elend zu weisen. "Die Kritik der Religion enttäuscht den Menschen, damit er denke, handle, seine Wirklichkeit gestalte wie ein enttäuschter, zu Verstand gekommener Mensch, damit er sich um sich selbst und damit um seine wirkliche Sonne bewege."
Das heißt eben nicht, gläubige Menschen aus dem Kampf ausschließen, bis sie ihren Glauben abgelegt haben. Wer die Welt verändern will, muss mit allen Menschen, die sich gegen ihre Unterdrückung und Ausbeutung wehren, zusammen kämpfen und währenddessen den religiösen Ideen weltliche, antikapitalistische und internationale Ansichten entgegensetzen.

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