Wie wir uns organisieren

Das Europäische Sozialforum in Florenz hat gezeigt, dass Millionen von Menschen sich gegen den Kapitalismus wehren wollen. Doch die Stärke dieser Bewegung ist entscheidend davon abhängig, wie gut sie organisiert ist.Viele Menschen haben die Nase voll von verlogenen Politikern, denen die Probleme der Bevölkerung egal sind und die vor allem die Interessen der großen Konzerne vertreten. Deshalb lehnen viele Leute alle politischen Parteien ab.
Sie fürchten, dass Parteien versuchen werden, jeder Kampagne ihr eigenes Programm überzustülpen und sie für ihre Zwecke zu benutzen. Viele Aktivisten haben auf das Versagen und den Betrug der offiziellen Politik reagiert, indem sie sich in neuen Strukturen organisiert haben, die mehr demokratische Mitbestimmung ermöglichen und keine Führungshierarchien haben.

Die Verschiedenheit der Ansichten und Methoden sich zu organisieren, ist eine große Stärke der Bewegung. Es wäre falsch, an Aktivisten und Gruppen Bedingungen zu stellen, bevor man mit ihnen zusammenarbeitet.

Aber in jeder Bewegung kommen viele verschiedene und zum Teil widersprüchliche Ideen auf. Oft ist es nützlich, wenn sich die Aktivisten um bestimmte Argumente herum gruppieren. Nichts anderes bedeutet die Bildung von Organisationen.

Nachdem die Polizei bei den Protesten gegen das G 8-Treffen in Genua letztes Jahr Carlo Giuliani ermordet hatte brach ein Streit in der Bewegung aus. Einige Gruppen meinten, dass die Demonstration am nächsten Tag abgesagt werden sollte; andere, dass wir die Proteste begrenzen sollten; und wieder andere, dass die Demo die größtmögliche werden müsste, um unsere Wut und Stärke zu zeigen.

Schließlich kamen 300.000 Leute auf der Demo zusammen. Dieser Erfolg war nur möglich, weil eine Gruppe von Aktivisten den Streit gewonnen hatte.

In jeder Kampagne gibt es Debatten über die Taktik, darüber, ob man sich an Amtsträger und Prominente wenden sollte oder an andere Aktivisten. Um die Bewegung in diesen Debatten voranzubringen, muss man sich organisieren. Eine Organisation macht es möglich, die erfolgreichsten Ideen einer Bewegung zu verallgemeinern und Strategien zu vermeiden, die nicht funktionieren.

Zwar ist es richtig, dass Politik nicht von einem kleinen Führungszirkel an die passive Mitgliedschaft heruntergereicht werden darf. Aber um Wirkung zu erzielen, muss eine Bewegung in der Lage sein, Themen zu diskutieren, Ideen zu klären, Entscheidungen zu treffen und dann zu handeln. In jeder sozialen Auseinandersetzung sind Ideen genauso wichtig wie Aktivität. Einige Ideen bringen die Bewegung voran. Andere verwirren die Menschen und führen in Sackgassen.

Auf dem Europäischen Sozialforum (ESF) in Florenz waren zum Beispiel neben entschlossenen Antikapitalisten auch Menschen, die Illusionen in die etablierten Strukturen von Politik und Wirtschaft haben. Professionelle Politiker mögen zwar Erfahrung, Selbstvertrauen und Charisma haben. Aber es ist ihr Beruf, die Menschen zurück in die Passivität zu führen und für die faulen Kompromisse der Parlamente zu gewinnen.

Um diese Strategie herauszufordern, brauchen wir eine aktive Bewegung, in der Menschen aus ihren eigenen Erfahrungen lernen können. Genauso brauchen wir eine theoretische Antwort. Fehler, die auf der theoretischen Ebene gemacht werden, können ebenso schlimme Folgen für die Bewegung haben wie falsche Taktiken. Zum Beispiel war der Widerstand gegen den Krieg dort geringer, wo behauptet wurde, der islamische Fundamentalismus stelle eine ebenso große Bedrohung dar wie die Kriegspolitik der USA.

Um die Welt zu verändern, müssen wir ein organisatorisches Zentrum haben, denn auch die Bosse, ihre Polizei und Armee sind zentralisiert. Eine Organisation ist kein Ersatz für die Bewegung. Sie ist der Teil der Bewegung, der sich von der Aktivität von Millionen Aktivisten und von den großen Protesten von Seattle bis Florenz inspirieren lässt. Und eine Organisation muss die Bewegung vorantreiben.

Ein Schlüsselthema für Sozialisten wie Karl Marx und später Lenin war, dass die sozialistische Organisation ebenso von denen lernt, die sich gegen den Kapitalismus wehren, wie sie ihnen auch Dinge beibringt. Sie begründeten ihre Organisationen auf der Selbstaktivität der normalen Menschen in der bestehenden Gesellschaft.

Und sie zeigten, wie kreative Methoden des Kampfes und eine straffe Organisation sich gegenseitig ergänzen. Das Entstehen neuer sozialer Bewegungen eröffnet riesige Möglichkeiten, den Kapitalismus zu bekämpfen. Aber je größer und schlagkräftiger eine Organisation in der Bewegung ist, desto größere Chancen haben wir, das Kräfteverhältnis entscheidend zu Gunsten der Bewegung zu verändern. Genau solch eine Organisation versucht Linksruck heute aufzubauen.

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