Kommentar: Konservative auf den Barrikaden

Das Bürgertum in Deutschland macht gegen die Regierung mobil. Unsere Interessen vertreten aufgebrachte Professoren jedoch nicht.Der rechte Historiker Baring fordert in der BILD „Auf die Barrikaden! Wir dürfen nicht zulassen, dass alles weiter bergab geht, hilflose Politiker das Land verrotten lassen.Alle Deutschen sollten unsere Leipziger Landsleute als Vorbilder entdecken, sich ihre Parole des Herbstes vor dreizehn Jahren zu eigen machen: Wir sind das Volk!“

Passend dazu holte die BILD unter der Überschrift „Kanzler, es reicht!“ neben Arbeitern, Rentnern, Sozialhilfeempfängern auch Kleinunternehmer und Mittelständler auf die Vorderseite. Kommentar: „Die Volksseele kocht.“ Barings Aufruf an „das Volk“ und BILDs „Volksseele“ haben einen Zweck: Die tiefe Spaltung unserer Gesellschaft zu verwischen.

3.700 Superreichen gehören über 306 Milliarden Euro. Dieser kleinen Gruppe von Reichen und Schwerreichen steht eine steigende Anzahl von Armen gegenüber.

Doch gegen diese Ungleichheit protestiert Baring nicht. Stattdessen ist für ihn ein großes Problem, „dass rund achtzig Prozent unserer Abgeordneten aus dem öffentlichen Dienst, aus den Gewerkschaften kommen“. Seine Lösung: „Mehr Wettbewerb überall, Wiederbelebung der Selbständigkeit und Eigenverantwortung, Verkrustungen im Sozialstaat aufbrechen“.

Baring fordert einen Aufstand für mehr Sozialabbau. Dafür wollen die Konservativen die Empörung über die rot-grüne Steuer- und Kürzungspolitik ausnutzen.

Aggressiv sind die Rechten, weil die Wirtschaftsbosse die Krise jetzt auf Kosten der Bevölkerung lösen wollen. Denn in den Chefetagen herrscht Unzufriedenheit, nachdem der bayerische CSU-Ministerpräsident Stoiber die nicht Kanzler geworden ist.

Von ihm hatten sich die Bosse den radikalen Abbau des Sozialstaats und die Schwächung der Gewerkschaften erwartet. Dadurch sollten deutsche Konzerne auf dem Weltmarkt mehr Gewinne erreichen können. Seit die SPD die Wahl gewonnen hat, versucht zum Beispiel der Bundesverband der Deutschen Industrie, die Regierung schnell nach rechts zu drücken.

Schon 1999 presste eine wochenlange Kampagne von Bossen und Medien den damaligen Finanzminister Oskar Lafontaine aus dem Amt. Kurz darauf stellte Schröder das rechte „Schröder-Blair-Papier“ vor und entwarf eine Steuerreform, die vor allem Konzerne begünstigte.

Andere, wie der hessische CDU-Ministerpräsident Koch wollen die Regierung schnell stürzen. Vor allem er will im Bundestag den „Untersuchungsausschuss Wahlbetrug“ einsetzen, um Rot-Grün zum Rücktritt zu zwingen. Dabei scheint es Koch nicht zu stören, dass er seinen Wahlkampf gegen die doppelte Staatsbürgerschaft mit Schwarzgeld finanziert hat.

Baring fordert sogar noch mehr. Er beklagt, die deutsche Verfassung erschwere „durchgreifende Lösungen“ und preist das Regieren mit Notverordnungen am Ende der Weimarer Republik. Doch diese von Reichskanzler Brüning durchgesetzten diktatorischen Vollmachten erleichterten Hitler den Weg zur Macht.

Noch hat Baring nur eine kleine Minderheit der Rechten hinter sich. Dennoch sind seine BILD-Artikel eine Warnung: Bosse und Rechte gehen über Leichen, um die Profite der Wirtschaft zu retten – auch über die der Demokratie.

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