Schröders Aufschwung bleibt ein Traum

Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Wolfgang Clement musste seinen bisherigen Konjunktur-Optimismus in einer Presseerklärung vom 24. Februar zurücknehmen: "Der Rückgang des Ifo-Geschäftsklimaindex zeigt, wie anfällig das aufkeimende Konjunkturpflänzchen noch gegen Störungen jeglicher Art ist. Wir dürfen die seit zehn Monaten positiven Erwartungen jetzt nicht enttäuschen. Alle Verunsicherungen, sei es durch Debatten über Steuererhöhungen oder sei es durch Diskussionen über die Rücknahme einzelner Reformschritte, sind und bleiben gefährlich für den beginnenden Aufschwung und müssen deshalb beendet werden.” Clement bleibt also dabei: Die "Reformen” schaffen den Aufschwung – und die Erde ist eine Scheibe. Was geht in den Köpfen von Clement und Schröder vor?
Sie träumen folgendes: Sozialabbau senkt Lohnkosten. So werden deutsche Erzeugnisse biliger zu produzieren. Das steigert die Exporte ins Ausland. Diese bringen die Gesamtwirtschaft in Trapp. Mehr Arbeitsplätze und steigende Konsumnachfrage folgen.
Doch woher soll die Nachfrage nach deutschen Autos und Maschinen kommen? Die anderen Länder senken doch auch Arbeitskosten, kürzen staatliche Sozialleistungen und verlängern Arbeitszeiten unbezahlt. Schröders Rechnung kann nicht aufgehen, wenn alle Länder mehr exportieren wollen. Welches Land importiert?
Tatsächlich gibt es ein Land, dem bislang die Rolle des Weltimporteurs zugekommen ist: die USA. Im vergangenen Jahr kletterte das Handelsbilanzdefizit der USA auf die Rekordhöhe von einer halben Billion (500 Milliarden) Dollar oder rund 5 % des US-Bruttoinlandsprodukts. Das US-Staatsdefizit wird dieses Jahr ebenfalls auf rund eine halbe Billion Dollar steigen. Doch schon in der Vergangenheit haben die USA mit ihren riesigen Handelsbilanz- und Staatsdefiziten bestenfalls mildernd auf die weltweite Stagnationskrise gewirkt. Und die riesigen Rüstungsausgaben können nicht verhindern, dass das Wachstum in den USA nach wie vor kaum zu mehr Beschäftigung führt ("jobless growth”). Ohne Jobs bricht die Konsumentennachfrage weg. Das sind schlechte Zeichen für die US-Konjunktur.
Kein Wunder, dass Chef-Volkswirt Norbert Walter von der Deutschen Bank feststellt, dass immer weniger privates Kapital bereit ist, die US-Defizite zu finanzieren. Die staatlichen Zentralbanken springen in die Lücke. So hat die japanische Zentralbank allein in den vergangenen Wochen den US-Dollar "so massiv gestützt wie nie zuvor in der Geschichte” – so der Superlativ der FAZ. An diesen gigantischen staatlichen Manipulationen der Finanzmärkte scheint sich niemand zu stören. Im Gegenteil, ausgerechnet der Volkswirt der Deutschen Bank wirft den Europäern "Marktfundamentalismus” vor, weil sie nicht so stark wie die japanische Staatsbank auf den Finanzmärkten zugunsten der Exportindustrie intervenieren. Es kommt eben immer darauf an, zu wessen Gunsten der Staat in die Märkte eingreift.
Andere Hoffnungen richten sich neuerdings auf Japan, die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt. Japan hat 2003 ein Wirtschaftswachstum von rund 4 Prozent erzielt. Aber dieser Auufschwung ist das Ergebnis "extremer geldpolitischer Maßnahmen und gewaltiger Devisenmarktinterventionen” durch den japanischen Staat, wie die Deutsche Bank zurecht bemerkt. "Die gesamtwirtschaftliche Rentabilität tendiert gegen Null.” Und es ist klar, dass die Staatsverschuldung in Japan ein Niveau erreicht hat, das weitere staatliche Geldspritzen nicht mehr erlaubt. "Der geldpolitische Spielraum ist nahezu erschöpft.”

Die beiden größten Volkswirtschaften der Welt fallen also als Wachstumslokomotiven und als Märkte für deutsche Exporte aus. Die Agenda 2010 treibt die Einkommen und den Lebensstandard der Menschen in Deutschland steil nach unten. Einen Aufschwung wird sie aber nicht erzwingen können. Schröders Vision verwandelt sich so in einen Alptraum.

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