Buchbesprechung: Italiens Modernisierung von Rechts

Genua war der wahre Amtsantritt Berlusconis. Ein neues Buch nimmt das Regierungsbündnis „Haus der Freiheit“, dem Schlagstock und Pistole so locker sitzen, unter die Lupe.

Christian Christen „Italiens Modernisierung von Rechts. Berlusconi, Bossi, Fini oder die Zerschlagung des Wohlfahrtsstaates“, Karl Dietz Verlag, Berlin 2001

Das Buch des Wirtschaftswissenschaftlers Christian Christen erschien bereits einige Wochen vor den Wahlen, die Berlusconi an die Macht brachten. Es behandelt Ideologie und Geschichte der drei wichtigsten Parteien der Regierung: der separatistischen Lega Nord, der faschistischen Alleanza Nazionale (AN) und Berlusconis Forza Italia (FI).


Die Politik der FI richtet sich nach Berlusconis Vorbildern: der ehemaligen britischen Premierministerin Margaret Thatcher und Ronald Reagan. An erster Stelle steht die Freiheit des Marktes und der Unternehmer.


Nur am freien Markt herrsche Gleichheit. Jedoch heißt „Gleichheit … hier im Grunde nur noch Chancengleichheit, ohne dass überhaupt erwähnt wird, dass von Anfang an ungleiche Ausgangsbedingungen … bestehen.“


Der Sozialstaat, der die Benachteiligung der Tochter eines Industriearbeiters gegenüber dem Sohn reicher Eltern zumindest ein wenig ausgleicht, steht der Freiheit der Unternehmer im Weg. Deshalb gelte es diesen zu zerschlagen.


Die FI will unter anderem das Bildungs- und Gesundheitssystem privatisieren. Auf der anderen Seite stehen Steuergeschenke an die Unternehmen.


Wird diese Politik umgesetzt, so Christen weiter, „bedeutet dies eine Zunahme von Armut und sozialen Spannungen. Zu diesem Zweck wird der Umbau des Wohlfahrtsstaates mit direkten und indirekten Repressionen verbunden sein.“


Dass sich der Staat zurückzieht, ist ein Mythos vieler Neoliberaler. Die eifrigsten Befürworter des Neoliberalismus sind meist die härtesten Law-and-Order-Politiker. Während der Sozialstaat abgebaut wird, rüsten die Sicherheitskräfte auf, um den zu erwartenden Widerstand zu brechen.


Das „autoritäre beziehungsweise elitäre Demokratieverständnis der FI“ ist „logische Konsequenz und notwendiger Bestandteil der wirtschafts- und sozialpolitischen Überzeugungen.“


Berlusconis Politik nutzt den Konzernen, aber sein Wählerstamm findet sich in den Mittelschichten, bei Selbständigen, kleinen und mittleren Unternehmern, oder leitenden Angestellten.


Ähnlich wie im italienischen Faschismus leiht der Mittelstand „der Großbourgeoisie das Gewicht seiner Masse, ohne dass keine Herrschaft im Stande ist, sich zu halten. […] Der Mittelstand ist das Fundament, auf das die kapitalistische Herrschaft sich stützt.“


Berlusconis politisches Programm und seine Ideologie ist strikt auf die Mittelschicht zugeschnitten. Der Kleinbürger, beispielsweise ein Handwerker im eigenen Betrieb, glaubt, dass es ihm um so besser ginge, je härter er arbeite. Diese Perspektive überträgt die FI einfach auf alle Mitglieder der Gesellschaft, argumentiert Christen.


Diese elitäre Sicht auf die Gesellschaft, in der nur die Stärksten überleben, und das autoritäre Politikverständnis ist einer der Berührungspunkte zwischen Neoliberalismus und faschistischer Ideologie, die das Bündnis zwischen Allenza Nazionale und Berlusconi überhaupt erst möglich macht.


Die Allenza Nazionale ist im veramten Süden des Landes verankert, während Berlusconis zweiter wichtiger Bündnispartner, die Lega Nord im industrialisierten Norden ihre Bastionen hat. Es ist vor allem die Lega Nord, die das Bündnis wacklig macht.


Schon 1994 scherte die Lega Nord aus, und versetzte Berlusconis Regierung den letzten Stoß.


Es ist eine der Stärken Christens, dass er Berlusconi nicht als unbesiegbar darstellt. Aber die massenhaften Proteste der Arbeiterklasse, die 1994 Berlusconis Regierung stürzte, scheinen für ihn keine Bedeutung zu haben. Die Mehrheit der Italiener tauchen bei ihm nur als Statisten auf.


Trotz seines akademischen Stils, der das Buch einem größeren Publikum unzugänglich macht, sollte kein Antikapitalist sich scheuen, es zu lesen.

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