Venezuela: Massen stoppen Putsch

Hoffnungsträger Chávez?

Chávez „bolivaranische Revolution“ ist der Versuch, vom Präsidentenstuhl aus sowohl die wirtschaftliche Entwicklung des Landes als auch den Kampf gegen die Armut voranzutreiben. Der ausbleibende Erfolg macht viele ehemalige Chávez-Anhänger zornig.


Freunde und Feinde haben Chávez mit Fidel Castro verglichen, dessen Regierung venezolanisches Erdöl zum Sonderpreis bezieht. Seine Reden klingen radikal. Er wolle „der Präsident der Armen sein“ und eine „ökonomische und soziale Revolution“.


Vor Vertretern der Wirtschaft redet Chávez anders. „Meine Botschaft an Investoren ist eine des Vertrauens,“ warb er dafür, Kapital in Venezuela anzulegen und Verträge mit der Ölindustrie abzuschließen. Seine Revolution finde „im Rahmen des Kapitalismus statt“.


Während Chávez den Kapitalismus angreift, sucht er den Ausgleich mit den Bossen und dem Internationalen Währungsfonds IWF.


In der Krise 2001 ließ er den Wechselkurs freigeben. Die Währung Bolivar fiel um 30 Prozent gegenüber dem Dollar. Der ohnehin niedrige Lebensstandard stürzte weiter ab, der sonst kritische IWF jubelte. Kämpft die Bevölkerung beispielsweise mit Streiks für ihren Lebensstandard, greift Chávez sie an. So schuf er selbst die Gelegenheit für den Umsturz.


Hoffnung für eine Ende der Armut liegt nicht in Chávez, sondern in der Massenbewegung, die sich dagegen gewehrt hat, den Arbeitgeber-Chef als Präsidenten vorgesetzt zu bekommen. Die Massenbewegung kann auch für die Umverteilung der Ölprofite sorgen – indem sie sich gegen die rechten Gewerkschaften durchsetzt und die Kontrolle über die Ölgesellschaft in die eigenen Hände nimmt.


Diktatorenschule

Mindestens zwei hohe Offiziere, die an dem Putsch beteiligt waren, sind Absolventen der US-Militärschule School of the Americas (SOA) – der Oberbefehlshaber der Armee Efrain Vasquez und General Ramirez Poveda.


Seit 1946 betreibt die US-Armee an verschiedenen Orten und unter verschiedenen Namen eine Schule, an der lateinamerikanische Militärs für den Kampf gegen die Zivilbevölkerung ausgebildet werden. Unterrichtsfächer an der SOA heißen unter anderem: Aufstandsbekämpfung und Kommando-Operationen. Der Unterricht findet ausschließlich in spanischer Sprache statt.


Viele der bisher 60.000 Absolventen haben Militärputsche angeführt oder Massaker verübt. Auf das Konto von SOA-Absolventen gehen unter anderem der Mord an Erzbischof Romero und das Massaker von El Mozote, bei dem 900 Menschen umkamen – beides in El Salvador.


Mindestens elf Diktatoren von lateinamerikanischen Staaten bildete die US-Regierung an der SOA aus – beispielsweise den panamaischen Militärherrscher Noriega. Auch Mitglieder der argentinischen Militärjunta von 1976 kamen von der SOA.


Eine Million Menschen haben in den Straßen der Hauptstadt Caracas gefeiert, als Arbeitgeberpräsident Carmona nach nur einem Tag als Präsident zurücktreten musste. Der Putsch gegen den gewählten Präsidenten Chávez ist gescheitert.

„Das war ein Putsch! Diese Regierung repräsentiert niemanden!“ sagte der Arzt Rafael Rojas Rincon der Washington Post. Er war am 13. April gemeinsam mit Zehntausenden auf der Straße, um gegen die vom Militär tags zuvor eingesetzte Regierung Carmona zu protestieren.


Demonstranten sammelten sich um den Präsidentenpalast, sangen und schlugen nach argentinischem Vorbild auf ihre Bratpfannen und Kochtöpfe. „Wo sind die Fernsehsender jetzt,“ fragte Buchhalter Alexi Martinez. „Das ist eine Diktatur!“


Die Medien missachteten die Demonstration gegen den Putsch, nachdem sie aber die Tage zuvor stündlich über die Proteste gegen Chávez berichtet hatten. Demonstranten stürmten Fernsehsender, um Gegner der Militärregierung auf Sendung bringen.


Auch große Teile des Militärs wehrten sich gegen den Putsch. Die Regierung Carmona musste aufgeben, Chávez kehrte zurück.


Ein anderer Teil des Militärs hatte einen dreitägigen Protest von Managern und Arbeitern der staatlichen Ölgesellschaft ausgenutzt, um Chávez zu beseitigen. Der Präsident wollte einen Teil des Managements auswechseln. Darauf reagierten die Bosse mit einer Aussperrung.


„Gelbe“ rechte Gewerkschaften schlossen sich dem Protest an und riefen zum Streik auf, dem sich Hunderttausende mit Chávez Unzufriedene anschlossen. Am dritten Tag starben Demonstranten, als Paramilitärs eine Schießerei provozierten. Das nahm das Militär zum Anlass, Chávez zum Rücktritt zu zwingen und gefangenzunehmen.


Nach Informationen der US-Zeitung Washington Post fiel die Entscheidung zum Putsch schon von Monaten. Vom 5. bis 7. November 2001 diskutierten das US-Außenministerium, das Pentagon und die Nationale Sicherheitsagentur über eine Lösung des „Problems Venezuela“. Seitdem verbreiten die USA, dass Chávez Terroristen in Kolumbien, Bolivien und Ecuador unterstützt. Tatsächlich widersetzt Chávez sich der Gründung der amerikanischen Freihandelszone FTAA.


Das FTAA bedeutet einen Abbau sozialer Sicherheiten in den Mitgliedsländern. 80 Prozent der venezolanischen Bevölkerung leben in Armut. Chávez ist 1998 auf einer Welle von Protesten gegen diese Verhältnisse gewählt worden, um gegen die Armut zu kämpfen. Seine Wahl bedeutete einen Bruch mit der Geschichte des korrupten Zwei-Parteien-Systems. Chávez änderte die alte Verfassung, um eine mit Volksentscheiden abgesicherte Präsidialherrschaft aufzubauen.


Im Rahmen der Organisation erdölexportierender Länder OPEC knüpfte Chávez Kontakte mit Irak, Iran und Libyen, um im Interesse höhere Ölpreise durchzusetzen. Venezuela ist der drittgrößte Öllieferant der USA. Chávez begann, einen Teil des Ölreichtums umlenken und beispielsweise in das Bildungssystem zu investieren. Direkt nach seiner Wahl 1998 unterstützten in Umfragen 80 Prozent der Venezolaner ihren Präsidenten.


Seine offene Sympathie für die Rebellen in Kolumbien brachte die US-Regierung weiter gegen sich auf. Er lehnte es ab, dass US-Flugzeuge, die Kriegsgüter für den Krieg in Kolumbien liefern, Venezuela überfliegen.


Nach dem 11. September forderte Chávez, die USA sollen „Terrorismus nicht mit Terrorismus bekämpfen“.


Im letzten Dezember brachte er ein Gesetzespaket auf den Weg, das eine Sondersteuer für transnationale Ölkonzerne, freie Bildung bis zur Uni und Gesundheitsversorgung und eine grundlegende Landreform beinhaltet. Die Landreform brachte ihm den erbitterten Widerstand der alten Eliten ein: Sie legt eine Höchstgrenze für Landbesitz fest und erlaubt dem Staat, Land zu enteignen.


Eine Gruppe von Ex-Militärs, die Chávez ebenfalls feindlich gegenüberstanden, knüpfte die Verbindungen zwischen Militär, Arbeitgebern, rechten Gewerkschaftsführer und den alten Eliten, um die Macht an sich zu reißen.

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