Wir brauchen die Linkspartei

Der Vorsitzende der Chemie-Gewerkschaft IG BCE Schmoldt schießt in der Bild am Sonntag vom 14. März gegen eine neue Linkspartei. Linksruck feuert zurück.

Schmoldt sagt: „Umtriebe einzelner Gewerkschafter“
1. Das ist Rufmord
Die Mitglieder des Bündnisses für eine neue Linkspartei sind keine Verbrecher. Es sind Menschen, die nicht weiter hinnehmen wollen, dass die Schröder-Regierung den Sozialstaat in fünf Jahren mehr zerschlagen hat, als CDU-Kanzler Kohl in den 16 Jahren zuvor.
Das war nur möglich, weil manche Gewerkschaftsführer so wie Schmoldt Schröders Schoßhündchen sind und Proteste unterdrücken. Schmoldt ist Schröders Lieblingsgewerkschafter. Der Kanzler hat sogar schon überlegt, ihn zum Minister zu machen.
Dabei haben die Gewerkschaften schon früher Sozialabbau verhindert: Als Kohl 1996 ein Kürzungspaket plante, haben die Gewerkschaften 300.000 Kollegen dagegen mobilisiert. Kurz darauf haben die Arbeiter von Daimler-Benz mit Streiks die Kürzung der Lohnfortzahlung bei Krankheit verhindert. Das war der Anfang von Kohls Ende.
Die Gewerkschaften können den Sozialabbau stoppen. Doch rechte Gewerkschaftsführer wie Schmoldt rühren keinen Finger dafür.
Schmoldt sagt: „aus ganz bitteren Erfahrungen in der Weimarer Republik“
2. nichts gelernt
Die Erfahrungen der Weimarer Republik waren tatsächlich bitter, gerade weil es keine vernünftige linke Alternative zur SPD gab. Als 1929 die Weltwirtschaftskrise hereinbrach forderten die Unternehmer die Zerstörung des Sozialstaats – und kamen durch. Die Arbeitslosenunterstützung wurde stark gekürzt, als Millionen sie bitter benötigten. 1932 war jeder Dritte ohne Arbeit. Die Löhne haben die Bosse um ein Drittel gesenkt.
Viele Menschen verzweifelten am Elend. Für die Nazis war das ein gefundenes Fressen. Sie stempelten die Juden zum Sündenbock und zerschlugen nach der Machtergreifung 1933 alle Organisationen der Arbeiterbewegung.
Die SPD hat schon 1930 den Sozialabbau der rechten Brüning-Regierung unterstützt. Brüning hat im Auftrag der Bosse mit diktatorischen Verordnungen den Sozialstaat praktisch aufgelöst. Auch damals nutzte die SPD rechte Gewerkschaftsführer um die Gegenwehr der Arbeiter im Keim zu ersticken. Anstatt den Widerstand zu organisieren, verbrachten diese Gewerkschaftsführer ihre Zeit lieber mit den Bossen in Verhandlungszimmern.
Wenn die Arbeiter trotzdem Streiks organisiert haben, haben die Gewerkschaftsführer sie mit aller Macht verhindert. So mussten die Arbeiter der Berliner Verkehrsgesellschaft 1932 ihren Streik abbrechen, weil der Gewerkschaftsverband keinen Cent dafür rausrückte.
Die Geschichte wäre anders verlaufen, hätte es in Deutschland damals eine Organisation gegeben, welche die SPD aus der Arbeiterbewegung verjagt, und den Widerstand gegen die Zerstörung des Sozialstaats organisiert hätte.
Die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) hatte zwar hunderttausende Mitglieder, folgte aber der von Stalin diktierten Katastrophenpolitik: Anstatt gemeinsam mit Sozialdemokraten gegen die Bosse und Nazis zu kämpfen, beschimpfte die KPD jeden SPDler als „Sozialfaschisten“.
Die schrecklichste Diktatur der Geschichte wurde nicht durch eine linke Alternative zur SPD ermöglicht. Vielmehr hat in Deutschland eine Partei gefehlt, die den Kampf gegen Sozialabbau und Verzweiflung aufnimmt. Ein solcher Kampf hätte verhindert, dass Millionen zu den Nazis überlaufen.
Schmoldt sagt: „die parteipolitisch unabhängige Gewerkschaftsbewegung“
3. Eigenständig? Schön wär’s…
Die Gewerkschaftsführung ist nur auf dem Papier unabhängig. Fast alle Gewerkschafts-Führer sind wie Schmoldt SPD-Mitglieder. Walter Riester war zum Beispiel von 1993 bis 98 zweiter Vorsitzender der Gewerkschaft IG Metall und danach vier Jahre Arbeitsminister unter Schröder. Der SPD-Wirtschaftsminister von Nordrhein-Westfalen Schartau war vorher Chef der IG Metall Nordrhein-Westfalen. Der Vorsitzende der Gewerkschaft IG BAU Wiesehügel saß von 1998 bis 2002 für die SPD im Bundestag.
Die Bosse haben in den letzten fünf Jahren erreicht, dass die rot-grüne Regierung mit ihrem Einfluss auf die Gewerkschaftsführer Proteste gegen den Sozialabbau verhindert. Dadurch konnte Schröder Grundpfeiler einreißen, wie beispielsweise, dass die Unternehmen die Hälfte der Sozialversicherungen bezahlen.
Doch seit die Regierung die „Agenda 2010“ beschlossen hat, ist die Wut der Gewerkschafter auf Schröder so groß, dass der Chef der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di Frank Bsirske und der Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes Michael Sommer zu Protesten aufrufen. Schröder schafft es nicht mehr, die Gewerkschaften zu lähmen.
Schmoldt sagt: „Was könnte eine neue linkspopulistische Partei denn bewirken? Sie würde die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen auch nicht ändern.“
4. Doch, es gibt Alternativen
Schmoldt ist ein treuer Diener seines Kanzlers: Schröder behauptet, die wirtschaftliche Lage würde ihn zum Sozialabbau zwingen. Doch gerade weil die Regierung ihre Politik vom Funktionieren des Kapitalismus abhängig macht, ist sie am Ende.
Schmoldt meint mit seinen angeblichen „Rahmenbedingungen“, dass ihm die Profite der Unternehmer über alles gehen. Diese haben in den letzten Jahren der Wirtschaftskrise in vielen Branchen riesige Überkapazitäten aufgebaut. Zum Beispiel werden jedes Jahr weltweit 55 Millionen Autos gebaut, aber nur 35 Millionen verkauft.
Diese Überproduktion verschärft die Konkurrenz der Konzerne. Die Bosse versuchen, durch Lohnsenkung, Mehrarbeit und weniger Sozialstaat ihre Konkurrenzfähigkeit auf Kosten der Arbeiter zu erhöhen. Weil aber alle Bosse und Regierungen dasselbe machen, sinkt zwar unser Lebensstandard, doch die Krise bleibt. Sie wird sogar noch schlimmer, weil die Menschen durch den weltweiten Lohnabbau immer weniger kaufen können. Die Überproduktion verschärft sich.
Diesen irrsinnigen Wettlauf Richtung Abgrund macht Schmoldt zu seiner „Rahmenbedingung“. Eine neue Linkspartei wird jedoch Menschen wichtiger nehmen als Profite. Statt Standortkonkurrenz der Konzerne brauchen wir internationalen Widerstand gegen die Ausbeuter. Dann wird die neue Linkspartei erfolgreich sein.
Schmoldt sagt: „nicht gegen den Kanzler oder die Bundesregierung“
5. Wogegen denn sonst?
Das größte Hindernis für eine soziale Politik in Deutschland heißt Gerhard Schröder. Seine „Agenda 2010“ ist der größte Angriff auf den Sozialstaat seit denn Zweiten Weltkrieg. Deshalb wird sich die Demonstration auch gegen die SPD-Regierung richten – ob Schmoldt das passt oder nicht.
Schmoldt sagt: „auch an die Adresse von CDU und CSU“
6. Hat er Hamburg vergessen?
Nur wegen Schröder taumelt die CDU von einem Wahlsieg zum nächsten. Schröder bohrt riesige Löcher in die Fundamente des Sozialstaats, wo die CDU jetzt Dynamit reinlegen will. Die Konservativen sind nur stark, weil Millionen Menschen von der unsozialen Politik Schröders enttäuscht sind.
Deshalb ist der beste Weg, die Konservativen zu schwächen, den Kampf gegen Schröders Politik aufzubauen und eine linke Alternative zur SPD auf die Beine zu stellen. Wenn Schröder von einer Massenbewegung gegen Sozialkahlschlag gestürzt wird, wird es jeder folgenden Regierung schwer fallen, die Kürzungen weiterzuführen.
Dieser Beitrag wurde unter Sozialdemokratie und Reformismus, SPD veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.